Konflikt im Jemen: Selbstmordanschlag auf Soldaten
Dutzende Soldaten werden bei der Übung zu einer Parade in Jemen getötet, Hunderte verletzt. Der Krieg zwischen der Armee und al-Qaida wird immer blutiger.
KAIRO taz | Selten hat ein einzelner Selbstmordattentäter mit einer Sprengstoffweste so viel Unheil angerichtet. Fast hundert Soldaten kamen in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa ums Leben, als ein Mann in Militäruniform sich in ihrer Mitte in die Luft jagte, 300 weitere wurden verletzt. „Haufen mit Körperteilen, Armen, Beine und Köpfen lagen überall herum. Es war unglaublich“, beschreibt Ahmad Sobhi, einer der Soldaten, die Szene.
Die Soldaten probten gerade eine Parade für den Tag der Einheit am 22. Mai, der an die Wiedervereinigung von Nord- und Südjemen 1990 erinnert. Der Anschlag fand unweit des Präsidentenpalastes statt; Jemens Verteidigungsminister, der bei der Übung ebenfalls anwesend war, blieb unverletzt.
Für den Anschlag verantwortlich zeichnete eine al-Qaida-nahe Gruppierung. Es war vermutlich die blutige Antwort auf eine Offensive der jemenitischen Armee, die vor zehn Tagen im Süden gegen ein Gebiet in der Provinz Abjan begann. Durch die Militäraktion, an der bis zu 25.000 Soldaten beteiligt sein sollen, sollen Gebiete des „Emirats von Abjan“, das von Kämpfern al-Qaidas auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) kontrolliert wird, wieder unter die Souveränität der Zentralregierung gebracht werden.
Die Offensive geht auf einen Plan zurück, den die jemenitische Armeeführung zusammen mit US-Militärexperten ausgearbeitet haben soll. Der neue jemenitische Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi, der im Februar nach über einem Jahr Aufstand vom Vorgänger Abdullah Saleh das Amt übernommen hatte, hat den Plan für die Offensive persönlich abgezeichnet.
Hadi kämpft derzeit an zwei Fronten: Er muss die Gebiete wiedererobern, die von AQAP-Kämpfern kontrolliert werden. Gleichzeitig muss der neue Präsident die Armee, die er für diese Aufgabe benötigt, immer noch von den Vertretern des alten Regimes säubern. Die Soldaten, die bei der Parade getötet wurden, gehörten zu einer Eliteeinheit, die von Jahia Saleh, einem Neffen des Expräsidenten Abdullah Saleh, geführt wird. Und im Hintergrund ziehen US-Militärberater die Fäden. Das wurde bei einem Anschlag am Sonntag deutlich, als drei US-Militärberater in ihrem Auto unter Feuer genommen wurden. Einer der Berater wurde verletzt. Verantwortlich für den Anschlag zeichnete die Gruppe Ansar al-Scharia.
Vor der neuesten Militäroffensive in Abjan waren Verhandlungen zwischen der Regierung und al-Qaida gescheitert. „Wir hatten zwei Bedingungen: den Rückzug der Armee und die Einführung der Scharia-Gesetze in Abjan; Letzteres wurde verweigert“, erzählte ein lokaler Kommandeur in der jemenitischen Presse.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“