Konflikt beim Bio-Großhändler: Dennree hat bald ersten Betriebsrat
Die Beschäftigten des Bio-Discounters wollen am Standort Töpen eine Interessenvertretung wählen. Aber einfach ist das nicht.
War alles nur ein Missverständnis, oder hat der öffentliche Druck etwas bewirkt? Die Antwort bleibt offen. Aber der Wahl eines Betriebsrats beim Bio-Großhändler Dennree steht anscheinend nichts mehr im Wege. Am Donnerstag habe die Geschäftsleitung endlich zugestimmt, die Kosten für die gesetzlich notwendige Schulung des Wahlvorstands zu übernehmen. Die schriftliche Bestätigung sei am Freitag eingegangen. Das sagte Paul Lehmann, der im Bezirk Oberfranken-Hof der Gewerkschaft Verdi für die Fachgruppe Handel verantwortlich ist, der taz.
Es wäre der erste Betriebsrat bei Dennree. Beim Wettbewerber Alnatura streiten Verdi und Geschäftsleitung seit Jahren über die Einrichtung eines zweiten Betriebsrats. Ein erster existiert in Freiburg. Ein zweiter, den die Beschäftigten in einer Bremer Filiale anstreben, würde es ermöglichen, auch einen Gesamtbetriebsrat zu wählen, der für das ganze Unternehmen zuständig wäre.
Dennree hat gerade den 300. Denn’s Biomarkt eröffnet und beliefert nach eigenen Angaben mehr als 1.400 Fachmärkte in Deutschland und Österreich. Die Dennree-Gruppe beschäftigt zurzeit rund 5.900 Mitarbeitende, 400 mehr als im Vorjahr. Ihr Umsatz stieg 2018 um fast 6 Prozent auf 1,025 Milliarden Euro, obwohl mit den großen Discountern Aldi, Lidl und Netto zunehmend mehr Konkurrenz auf den Bio-Lebensmittelmarkt drängt.
Am Lagerstandort Töpen im Landkreis Hof wollen Beschäftigte seit Monaten einen Betriebsrat gründen. Die Initiative sei von Mitarbeitenden ausgegangen, die Mitglied in der Gewerkschaft sind und Verdi gebeten hätten, sie zu unterstützen, sagte Lehmann.
Danach habe die Geschäftsleitung ein Treffen mit Verdi verzögert. In der Zwischenzeit hätten drei andere, der Gewerkschaft nicht bekannte Beschäftigte zu einer Betriebsversammlung eingeladen. Der Verdacht liege nahe, dass diese sich mit der Geschäftsleitung abgestimmt hätten. Die Belegschaft zu spalten ist bei Arbeitgebern ein beliebter Ansatz, um die Gewerkschaften aus den Betrieben rauszuhalten. Weitere Probleme habe es mit der Übernahme der Kosten für die Schulung des Wahlvorstands gegeben. Die Geschäftsleitung habe nur ein nichtgewerkschaftliches Seminar bezahlen wollen. Verdi hatte sich daraufhin an lokale Medien gewandt, die Anfang der Woche auch über den Konflikt berichteten.
Dennree antwortet nur schriftlich auf Medienanfragen und erklärte auf Nachfrage der taz: „Die Initiative von Kollegen zur Gründung eines Betriebsrats begrüßen und unterstützen wir ausdrücklich.“ Uwe Zimmermann, Leiter der Personalabteilung, schrieb: „Wir bei Dennree sehen keinen Konflikt im Hinblick auf die Gründung eines Betriebsrates.“ Das „passende Seminar“ sei seiner Kenntnis nach inzwischen gefunden. Man sei zuversichtlich, dass der Betriebsrat „künftig eine wichtige Rolle in unserem wachsenden Unternehmen übernehmen wird“.
Ob das die Stimmung bei Dennree spiegelt, ist unklar. Am Freitag klingelte bei Lehmann ununterbrochen das Telefon. Lokale Medien wollten wissen, was dran sei, dass Dennree-Mitarbeitende sich über Tumulte auf der Betriebsversammlung beschwerten. „Wir reagieren erst einmal entspannt“, sagte Lehmann. „Wir wollen jetzt einen Betriebsrat wählen lassen, und dann sehen wir weiter.“
Damit könnte bei dem Bio-Großhändler nun eine neue Ära beginnen, dem vor einigen Jahren Dumpinglöhne und Arbeitszeitverstöße vorgeworfen worden waren. Erklärtes Ziel der Wahlunterstützer_innen ist eine „höhere Wertschätzung der Beschäftigten“ – und vor allem eine Tarifbindung. Alnatura hat die Gehälter bereits 2010 an den Tarif angeglichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag