Kompetenzverteilung: Bezirke greifen nach der Macht
Hamburgs Bezirksfürsten proben den Aufstand: Sie wollen mehr Autonomie für die sieben Bezirke der Hansestadt - so wie das in Berlin schon länger gehandhabt wird.
Markus Schreiber (SPD), Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte, bemüht eine Metapher aus der Sportwelt. Warum sei der chinesische Ruderachter dem deutschen überlegen, fragt er - und gibt sogleich die Antwort: "Weil im chinesischen Boot acht Sportler rudern und einer steuert, im deutschen Boot hingegen acht Personen steuern und einer rudert".
Dieses deutsche Phänomen sei auch in Hamburg bei der Kompetenzverteilung zwischen Landesebene und Bezirken zu beobachten. Zwar dürften die sieben Bezirke zumindest in einigen Bereichen selbständig planen. Doch auf jeden Bezirks-Planer käme ein Kontrolleur der städtischen Fachaufsicht, der die kommunalen Aktivitäten noch einmal genau prüfe und, so Schreiber, "viele schlaue Fragen stellt". 220 solcher Stellen könnten eingespart werden, findet Schreiber und träumt bereits von "einem Leben ohne Fachaufsicht".
Mitgebracht hat Schreiber den kühnen Plan einer bezirklichen Autonomie, etwa bei der Erstellung von Bauplänen, aus Berlin, wo er vergangenen Freitag mit vier seiner sechs Bezirksamtsleiter-Kollegen weilte. Am Berliner Modell, das den Bezirken wesentlich mehr Entscheidungsbefugnisse sowie eine eingeschränkte Etathoheit einräumt, haben die Hamburger Bezirksfürsten offenbar Gefallen gefunden. Nun wollen sie Berliner Verhältnisse auch in der Hansestadt an der Elbe. "Über Details müssen wir noch miteinander sprechen, die grobe Linie aber ist unter uns klar", verkündet Schreiber einen weitgehenden und parteiübergreifenden Schulterschluss der sieben Bezirksamtsleiter.
Verzichtbar sei, im Vergleich zu Berlin, eine bezirkliche Schulplanung. Auch die Besetzung der wichtigsten Bezirks-Dezernenten streng nach Parteienproporz ist nicht nach Schreibers Geschmack. Da sollte schon "die fachliche Kompetenz und nicht das Parteibuch" die entscheidende Rolle spielen, wer am Ende auf welchem Platz sitze.
Wichtig hingegen sei, dass es zum neu eingeführten Sozialmanagement in den Bezirken ein Pendant auf Landesebene gäbe. "Da müssen wir uns ständig mit unterschiedlichsten Behörden abstimmen, um etwas zu bewegen", klagt Schreiber.
Die Amtsleiter-Offensive ist "ein Signal an den neuen Senat", betont Schreiber, denn "mit dem gegenwärtigen kann man nichts mehr anfangen". So ist es nur konsequent, dass Finanzbehörden-Sprecher Daniel Stricker jeden Kommentar unter Hinweis auf den bevorstehenden Wahltermin ablehnt und auch Finanz-Senatorin Herlind Gundelach "keine Entscheidungen solchen Ausmaßes" mehr in der ablaufenden Legislaturperiode treffen will.
Schreibers Parteifreund Olaf Scholz hat grundsätzlich positiv auf den Vorstoß reagiert. Doppelzuständigkeiten zu vermeiden, sagte er schön schwammig, sei immer sinnvoll. Als Freund dezentraler Entscheidungsstrukturen gilt Scholz gemeinhin allerdings nicht.
Klar aber ist: Nach dem Vorstoß der Amtsleiter dürfte die Kompetenzverteilung zwischen Stadt und Bezirken zum Gegenstand von Koalitionsverhandlungen werden.
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