Komödie "Zwei Weihnachtsmänner": Warten aufs Tristkind
In der Sat.1-Komödie spielt Christoph Maria Herbst einen Berater, der Firmen zu Entlassungen rät - das passt prima zu dem kriselnden Privatsender.
Herrje, ist das traurig. Am traurigsten vielleicht die Szene mit dem Wildschweinchen. Im Sat.1-Zweiteiler "Zwei Weihnachtsmänner" lernen sich der drahtige Berater Tilmann Dilling (Christoph Maria Herbst mit steingrauer Vollhaarperücke) und der Schlunz Hilmar Kess (Bastian Pastewka besonders pummelig) auf dem Flug von Wien nach Berlin kennen. Der Flieger muss wegen widrigen Winterwetters in Bratislava landen. So machen sich die Zufallsbekannten auf eigene Faust auf die Heimreise durch ein tief verschneites "Osteuropa" (Sat.1-Inhaltsangabe), nämlich die Slowakei und Tschechien.
Eine Verkettung von Zufällen führt sie in einen finsteren Wald, in dem ihnen ein putzig hoppelndes Wildschwein begegnet. Das soll, sieht die Handlung vor, gefährlich sein. Der Film löst die anderthalbminütige Sequenz szenisch auf, indem stets nur entweder das Tier oder die Schauspieler im Bild sind. Nur eine kurze Einstellung zeigt alle gemeinsam. Schon daran, dass die Hilmar-Figur hier erheblich weniger pummelig ist als Pastewka, zeigt sich, dass gedoubelt wurde. Doch als Parodie auf vordigitale 50er-Jahre-Filme, deren Helden erst am Schneidetisch das Kämpfen mit Löwen lernten, ist das nicht gemeint. Es wurde halt preiswert produziert.
Herbst und Pastewka, die von Comedy und Timing ja viel verstehen, muss es beim Drehen gegruselt haben. Der Zweiteiler, der schon als Einteiler arg langatmig wäre, spielt in dunklen Szenerien zähe Sequenzen aus, in denen sich die Komödianten um Odd-Couple-Wortwitz bemühen. Zwischendurch werden all die "Let it snow, let it snow, let it snow"- und "Santa Clauses coming to town"-Oldies eingespielt, die Sat.1-Zuschauer aus Weihnachtsfilmen kennen, deren Protagonisten abenteuerliche Wege quer durch Nordamerika zurücklegen, um rechtzeitig zum Truthahn bei der Familie zu sein. Auch hier will Schlunz Kess seiner Freundin (Floriane Daniel) daheim einen Heiratsantrag machen. Er arbeitet als - das Wort ist einer der besten Gags - Poolnudelvertreter und wird am Flughafen fast verhaftet, weil sich - und das ist ein exemplarischer Gag - in seinem Gepäck ein aufblasbares und auch aufgeblasenes Maschinengewehr befindet.
Dilling wiederum ist beruflich Berater in dem Sinne, dass er Firmen zu Entlassungen rät und just noch in Wien 78 Angestellte freisetzte - da passt diese trist sentimentale Komödie dann doch perfekt zu ihrem Sender. Sat.1 ist bekanntlich noch in Berlin zu Hause, wo die Mitarbeiter am sehr weihnachtlich hergerichteten Gendarmenmarkt gerade einen Warnstreik veranstalteten. Bis Ende Januar müssen sich rund 350 von ihnen entscheiden, ob sie in die Konzernzentrale im bayerischen Unterföhring umziehen, wo für Neuankömmlinge dem Vernehmen nach eigentlich kaum Platz sein soll. Ohnehin plant die Sendergruppe ProSiebenSat.1, 225 Stellen zu streichen.
Zu Sat.1, dessen 25. Geburtstag am 1. Januar 2009 ziemlich ungefeiert verstreichen wird, passt der Film auch noch unter einem weiteren Aspekt prima: Als verkrampfte Kreuzung zwischen tendenziell intelligenter Comedy und seit Jahren rotierenden Archivspielfilmen bringt er das Dilemma des Privatsenders, der sich zeit seines Bestehens am intensivsten um Eigenproduktionen gekümmert hat und seit langem am profillosesten zwischen den besetzten Stühlen klemmt, auf den Punkt. Die Summe ist viel kleiner als die Teile.
So stammt das "Weihnachtsmänner"-Drehbuch von Tommy Jaud. Der wurde nicht zuletzt dadurch zum Autor zusehends schlichter gestrickter, immer erfolgreicherer Bestsellerromane ("Vollidiot", "Resturlaub"), weil Sat.1 im Jahr 2005 eine der immer noch besten deutschen Fernsehserien des Jahrtausends zwar in Auftrag gegeben, dann aber schmählich versendet hatte. "LiebesLeben" erzählte fortlaufend und episodisch, melancholisch und böse von Kölner Singles. Sat.1 steckte die sehr heutige Serie von Autor Jaud und dem "Zwei Weihnachtsmänner"-Regisseur Tobi Baumann in seine Schublade namens "Romantic Comedy und zeigte sie auch dienstags im Anschluss an seine tatsächlichen einfältigen Romantikkomödien. Ergebnis war ein gewaltiger Flop.
Wie bei vielen Sat.1-Serien wurden nicht einmal alle Folgen ausgestrahlt. Im Mai 2006 wiederholte Sat.1 das Dienstagabendexperiment trotzdem und zeigte eine Hobbyfußballerserie unter dem befremdlichen Titel "Freunde für immer - Das Leben ist rund". Auch sie fand im Anschluss an die Romantikkomödien kein Publikum. Trotz des Misserfolgs stieg Produzent Sönke Wortmann zur Fußball-WM in die Umkleidekabinen der Nationalelf und drehte dort sein phänomenal erfolgreiches "Sommermärchen" - für die ARD.
Sat.1 hat durchaus Werte geschaffen, die einfach verpufft sind oder von denen andere langfristig profitieren. Wenn Harald Schmidt heute absurde Millionensummen für schwache und schwach gesehene ARD-Shows kassiert, handelt es sich um den long tail seines Engagements auf Sat.1, das die Ansicht, er sei ein cleverer Witzbold, nachhaltig durchsetzte. Zur falschen Zeit sendete Sat.1 schon ziemlich oft. Und künftig eben auch vom falschen Ort. So gesehen ist der triste Weihnachtszweiteiler, der in Familiensentimentalität endet, als wäre Christoph Maria Herbst Tom Hanks, ein schöner Abgesang.
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