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Kommunisten-Denkmal soll verschwindenImmer schön vergessen

Bundesbauminister Ramsauer will Marx und Engels aus dem Zentrum Berlins verbannen. Nun regt sich Protest in der Stadt, die ihre jüngere Geschichte ausradiert hat.

Dem Marx-Engels-Denkmal in der Nähe des Alexanderplatzes droht das Exil. Bild: dpa

BERLIN taz | Es war wie ein Flashback. Eine Rolle rückwärts in die Zeit nach 1989, als am Mittwochmorgen die Nachricht zu hören war, Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) fordere, das Marx-Engels-Denkmal vom Marx-Engels-Forum nahe dem Alexanderplatz in Berlin verschwinden zu lassen.

Das erinnerte an die Zeit, als Berlin wieder eine Stadt wurde und der Kampf um die Deutungshoheit der Geschichte und die Identität der Stadt mit Straßenumbenennungen und Denkmalsdemontagen ausgetragen wurde: Ein großer Lenin aus rotem Granit etwa landete 1991 im Köpenicker Forst, zum Schutz des Steins im Sand vergraben.

Die Mauer wurde abgerissen, klar. Jahrelang tagten dann Expertenkommissionen, wie denn nun an die Teilung und die Mauer zu erinnern sei. Erst wurde das Außenministerium, dann auch der ihm gegenüberliegende Palast der Republik abgerissen.

Ein gelassener Umgang mit der Geschichte

Ein Neubau hinter rekonstruierten Schlossfassaden soll dort entstehen. Nur Marx und Engels, der eine sitzend, der andere stehend, blieben und schauten dem Spektakel zu. So entspannt und so absichtsvoll unheroisch, wie der Bildhauer Ludwig Engelhardt sie ohne Sockel nur auf eine flache Platte gestellt hatte, schienen ihre Chancen gut zu stehen, einem gelasseneren Umgang mit der Geschichte anheimzufallen als der Palast, zu dessen Ensemble sie gehörten.

Nun sollen sie nach Ramsauers Meinung einer Neuordnung des Platzes weichen. Die Skulpturen sind ein Denkmal aus der DDR, gewiss, aber auch aus der Zeit des Übergangs. Marx und Engels, die erst 1986 aufgestellt worden waren, wuchsen in ihrer formalen Schlichtheit ihren politischen Auftraggebern nicht ans Herz.

Erich Honecker weihte die Denkmalsanlage zwar im April 1986 ein, viel größer aber waren die Feiern zwei Wochen später anlässlich der Aufstellung von Thälmann-Kopf und -Faust im Thälmann-Park, Prenzlauer Berg. Die Fotografin Sibylle Bergemann hat die Entstehung des Marx-Engels-Denkmals über zehn Jahre lang verfolgt. Ihre Bilder von der Montage, von der kopflosen Engels-Statue auf einer Brache, von den Skulpturen am Kran und in der Luft hängend, waren in den Jahren nach 1989 in vielen Publikationen und Ausstellungen zu sehen.

"Sozialistisches Reste-Zentrum"

Das Denkmal, das noch keins ist: die Bilder wurden zu einer Chiffre des Möglichkeitsraums, der sich mit der Öffnung der Mauer ergab. Gerade diese beiden jetzt ins Exil auf einen Friedhof zu verweisen - Ramsauer schlug vor, sie auf den Friedhof Friedrichsfelde, den er als eine Art "sozialistisches Reste-Zentrum" titulierte, zu verbannen -, würde der Schließung dieses Möglichkeitsraums noch mal eins draufsetzen.

Was Marx wohl über die prächtige Entwicklung des Kapitalismus zu sagen hätte? Ob er ihn noch im Stadium der originären Tragödie sähe oder schon in jenem der Farce, wenn aus Angst an überlebten Figuren an der Vorvergangenheit festgehalten wird? Diesen Denker gerade jetzt aus dem Stadtbild zu entfernen, ist nicht bloß geschichtsvergessen, sondern auch gegenwartsblind.

Ein wenig verrückt von ihrem ursprünglichen Standort, wenn auch nur um ungefähre 100 Meter, sind Marx und Engels übrigens jetzt schon. Der Grund sind Bauarbeiten an der U-Bahn-Linie 5. Die Stadt Berlin hält aber, in Gestalt des Stadtentwicklungssenators Michael Müller und des Kulturstaatssekretärs André Schmitz, am Standort Marx-Engels-Forum fest.

Erinnerung an den Berlin-Urlaub

Beide widersprachen umgehend Ramsauers Anliegen. "Berlin hat eine bewegte Geschichte und ist eine aufgeschlossene Metropole, hier passen auch Schloss und Denkmal nebeneinander", sagte Müller. Schmitz betonte: "Eine Auslagerung nach Friedrichsfelde, um aus der dortigen Gedenkstätte eine Art sozialistischen Streichelzoo zu machen, kann hier nicht die richtige Antwort sein."

Als ich das letzte Mal mit dem Bus an Marx und Engels vorbeifuhr, machten junge Paare da gerade wieder mal ein Fotoshooting, Erinnerung an den Berlin-Urlaub. Neben den etwas überlebensgroßen Figuren kommt die eigene Freundin sehr frisch rüber, auch auf Marxens Schoß klettern junge Ladys gerne.

Alles, woran man Geschichte knüpfen kann, gerade auch die Erzählungen von den Brüchen und Fehlleistungen der deutschen Geschichte, hat sich in der Zeit nach 1989 nicht zuletzt auch in ein Kapital der Tourismusbranche verwandelt. Vom Brandenburger Tor bis zum Alexanderplatz, an eben jenem Marx-Engels-Denkmal vorbei, kann man nicht gehen, ohne zahlreichen Stadtführungen zu begegnen, zu Fuß, im Bus, per Fahrrad.

Die Berliner Stadtbilderklärer sind geübt darin, auch von dem zu erzählen, was bis vor wenigen Jahren noch stand, jetzt aber, weil man glaubt, sich neu erfinden zu müssen … Einverständlich nicken die Zuhörer mit den Köpfen, betrübt über den Wahnsinn dieser Berliner, ständig das eine vergessen und unbedingt an etwas anderes erinnern zu müssen.

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18 Kommentare

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  • T
    T.V.

    Einschmelzen und den Platz in Göbbelsplatz umbenennen, das hätte der Ramsauer doch am liebsten.

  • K
    Kapitalismusmußnich

    Ich würd die beiden stehen lassen. Kann sein, daß die noch gebraucht werden...

  • B
    broxx

    Einschmelzen den Müll.

  • P
    P.Haller

    O.k., wenn Ramsauer unbedingt will, dass die beiden ehrwürdigen Herren vom Sockel entfernt werden, dann kann man das machen, unter einer Bedingung:

    Ramsauer muss sich da als (Ersatz-)Mahnmal drauf stellen und sich dann von den Berliner Strassenkötern anpinkeln lassen. Dann, und nur dann, wäre ich damit einverstanden !!

  • P
    Peter

    Dieser Trieb, alles aus dem Stadtbild und damit früher oder später aus dem Bewußtsein tilgen zu wollen, was an die DDR erinnert, kann nur als krankhaft bezeichnet werden. Da sind wir nicht mehr weit von der Tätigkeit des "Wahrheitsministeriums" von Orwell entfernt, in dem täglich die alten Tageszeitungen entsprechend der jeweiligen Parteilinie angepaßt werden.

    Schlimm genug, daß schon der Palast der Republik "vapourisiert" wurde.

  • SS
    stefan seither

    Man sollte lieber mal den Ramsauer verschwinden lassen.

  • V
    velorowdy

    sprachkunst in tageszeitungen ist eigentlich selten, aber das ist ziemlich erstaunlich "nicht nur geschichtsvergessen, sondern auch geschichtsblind" und am besten hat mir gefallen "ein bisschen verrückt sind ...marx und engels jetzt schon" RESPEKT!!!

  • B
    Bitbändiger

    Man darf zu Marx und Engels ja durchaus unterschiedlicher Meinung sein. Dass ihre Theorien und Erkenntnisse im Lauf von 150 Jahren diese oder jene Korrektur erfahren haben, liegt auf der Hand - andererseits erfahren sie gerade in der Realität mansche Bestätigung. Die Pervertierung ihrer Thesen in diversen Diktaturen ist ihnen nicht vorzuwerfen.

     

    Marx und Engels werden Figuren der Weltgeschichte bleiben.

     

    Wer, bitte sehr, ist dieser Peter Ramsauer aus den bairischen Hinterwäldern?

  • L
    lvm

    bundesminister für verkehr, bau und stadtentwicklung

     

    naja sein bereich ist es zwar, aber ehe der liebe minister sich um so etwas kümmert, sollte er eines der grössten infrastrukturprobleme hier in meiner heimatstadt etwas mehr aufmerksamkeit widmen, der berliner s-bahn.

    allgemein sollte er wesentlich mehr aufmerksamkeit der db ag und ihren tochterunternehmen widmen, denn es hakt da schliesslich nicht nur in berlin massiv, sondern bundesweit. bei der "db-mutter" wird eher auf prunk statt auf sinnvollen und nachhaltigen nah- und fernverkehrsausbau geachtet und bei den töchtern ist wohl eher stillschweigen angesagt, vor allem was sinnvolles und nachhaltiges wirtschaften angeht, obwohl es dort allerdings auch einige ausnahmen gibt, wo man scheinbar noch personal nach fähigkeit ausgesucht hat.

  • J
    Jon

    Was für eine lächerliche Idee...peinlich sowas. Nur weil die DDR ein sozialistischer Staat war, heißt das noch lange nicht, dass Marx und Engels nur als DDR-Erinnerung zu sehen sind. Die beiden müssen als große Denker in Erinnerung behalten werden, was sie ja auch unbestrittenerweise waren. Gerade in den heutigen Zeiten, in denen der Kapitalismus seine Nachteile immer mehr aufdeckt, kann man doch nicht einfach ein Denkmal von den beiden ehrwürdigen Herren entfernen. Ich will nicht behaupten, dass Kommunismus im Gesamten besser wäre als Kapitalismus, aber er ist zumindest eine denkbare Alternative. Ramsauer probiert mit dieser Aktion anscheinend, dem Kapitalismus auch noch (mehr) Faschismus zu lehren. Man kann doch nicht einfach so ein solches Denkmal abschaffen, was denkt der Mann sich eigentlich? Und als nächstes will er das Holocaust-Mahnmal abschaffen, weil Geschehenes ja geschehen ist und der Holocaust die dunkelste Zeit der deutschen Geschichte darstelllt und unser Vaterland in ein falsches Licht rückt, oder was?

    Herr Ramsauer, Respekt! Mit Schwachsinn labern zum Minister aufgestiegen, geil! Deutschland schafft sich verdammt nochmal wirklich ab, so ein Mist aber auch!

  • F
    Fr.

    Wenn die Marx-Engels-Skulptur wegsoll, gut! Dann aber benennt bitte alle Bundeswehr-Kasernen um, die die Namen irgendwelcher Nazi-Generäle tragen, benennt den Münchner Flughafen Fr-josef-Strauß um, benennt alle Plätze, öffentlichen Einrichtungen, Schulen und Universitäten um, die die Namen irgendwelcher Fürsten und Adligen tragen, die wohl kaum demokratischer waren als diejenigen, die MArx und Engels in Berlin hingestellt haben.

    mfg

  • W
    Wiese

    Deutschland hat Geschichte, Marx und Engels haben keinen getötet oder ausgeraubt, das waren andere.

    Als ich 1990 im Mai am Reichstagsgebäude war, stand dort am gegenüberliegenden Ufer noch ein Stück Mauer und ich sagte zu meinem Begleiter:"Das Stück müßte für immer dort stehen bleiben als Mahnmal für die kommenden Abgeordneten als Erinnerung gegen Unterdrückung und Bevormundung durch den Staat."

    Unsere derzeitigen "Volksvertreter" haben diese Jahre längst verdrängt aber huldigen immer noch dem wirklichen Ausbeuter bzw Unterdrücker Adel und Geldmacht.

  • A
    Ano

    Wenn die Geschichte glatt läuft sind beide bald international wieder Mega-in.

     

    Ramsau kriegt das hin in Berlin. Widerstand wird ihm gewiss sein.

     

    Sers

  • BH
    Banjo Hansen

    Ramsauer. Von mir aus kann die CSU bedeutungstechnisch der FDP nachfolgen. Überfällig. Geh zurück in Dein Buch, Peter!

  • H
    Hans

    Der Palast der Republik, das ehemalige Hauptgebäude der Fachhochschule Potsdam, die Marx-Engels-Statuen...

    lehrt uns:

    "Die DDR hat es nie gegeben"!!1!

  • M
    Marten

    Der liebe Herr Ramsauer sollte sich lieber um dringendere Themen kümmern - wie zum Beispiel ein Stadtschloss doch nicht bauen (nur leider sind bestimmt schon zig verträge unterzeichnet und überhaupt.)

     

    Es kommt mir vor als würden alle jubeljahre wieder dieselben Leute versuchen Geschichte zu tilgen. Ich hoffe doch sehr dass dies nur eine unüberlegte Äusserung von ihm war. Sonst könnte man gleich als nächstes das Thälmannportrait oder gar den alten Fritz, die Goldelse und Quadriga abmontieren und einschmelzen!

  • V
    vorp

    wieso hat denn in der frage überhaupt jemand von der csu was zu sagen? wenn das berliner stadtbild keine genuin berliner angelegenheit ist, die vom land und nicht vom bund entschieden wird, was dann?

  • MU
    Marx und Engels

    Rrammsauääär! Kümmere dich um deine Muschi und die eigenen Gartenzwerge!