Kommunalwahlen in Italien: Der Traum von einem Wunder
In Florenz bewirbt sich mit Antonella Bundu eine Schwarze ums Bürgermeisteramt. Sie hat bereits sieben linke Listen vereinigt.
„Seit ich 17 Jahre alt bin, mache ich Politik“, erzählt die 49-jährige Bundu, die mit ihrer offen getragenen Afrofrisur ein wenig an Angela Davis erinnert, „doch ich war nie in einer Partei.“ Und sie drängte sich auch nicht nach der Kandidatur – die fiel ihr gleichsam zu. Auf einer offenen Versammlung der Florentiner Linken hatte sie sieben Minuten Redezeit, um über das Wort „schwarz“ zu reflektieren. Danach war für das begeisterte Publikum klar, wer antreten sollte.
Ihr Vater aus Sierra Leone, ihre Mutter aus Florenz, verbrachte Bundu ihre ersten drei Lebensjahre in der Stadt am Arno, um dann in Sierra Leones Hauptstadt Freetown zu leben. Mit 17 ging sie nach Liverpool, lebte dort im Schwarzenghetto Toxteth, engagierte sich in einem Zentrum für Black History, half in der kleinen Bibliothek aus und führte Interviews mit älteren Immigranten aus der Karibik.
Zum Uni-Studium kehrte sie nach Florenz zurück. Heute arbeitet die studierte Dolmetscherin als Angestellte in einem Architekturbüro. Daneben ist sie bei Oxfam und in einer Flüchtlingsaufnahmeeinrichtung aktiv.
Generalisierter Rassismus
Dass mit ihr eine schwarze Frau antritt, versteht sie als Zeichen gegen eine Entwicklung im Land, das unter dem Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini „auf dem Feld der Frauenrechte Schritte rückwärts macht und einen generalisierten Rassismus erlebt“, sagt Bundu.
Im März 2018 erschoss ein Italiener in Florenz einen Senegalesen, einfach so. Bundu war entsetzt über die Reaktionen eines Teils ihrer MitbürgerInnen, die sich wesentlich mehr über die wütenden Straßenproteste der senegalesischen Community empörten als über den rassistischen Mord.
Aber sie kennt auch den allgegenwärtigen Alltagsrassismus. Vor wenigen Wochen klingelten Handelsvertreter an ihrer Tür. Als sie aufmachte, kam sofort deren Frage: „Ist die Hausherrin nicht da?“ Auf der Straße wird sie von wildfremden Menschen gefragt, ob sie als Putzhilfe arbeite. In Social-Media-Kommentaren kommt die Aufforderung, „du solltest dem Land dankbar sein, das dich aufgenommen hat“.
Bundu beklagt, dass im Salvini-Italien die Hemmschwellen dramatisch gesunken seien. Sie berichtet von einem Verwandten, der vor wenigen Wochen an einer Straßenbahnhaltestelle unter den Augen zahlreicher Passanten bedroht und beleidigt worden sei. Die Hauptverantwortung trägt in ihren Augen die Regierung, die „den Rassismus institutionalisiert“ habe.
Bezahlbares Wohnen, nachhaltige Müllbeseitigung
Auch aus diesem Grund will sie jetzt Hausherrin im Rathaus werden und für ein „offenes, europäisches, multikulturelles“ Florenz sorgen. Zugleich stört sie sich daran, dass Florenz zum „Schaufenster“ geworden sei, „das von den Touristen als enormer Airbnb genutzt“ werde. Darüber habe sich das Stadtzentrum in ein Museum verwandelt.
Linke Politik, die auf Freiheit und Gleichheit, vor allem aber auf mehr Empathie setzt, will sie. Das heißt, dass sich auch gewöhnliche Menschen mit einem gewöhnlichen Einkommen wieder ein Wohnung in zentralen Stadtlagen leisten können.
Auch vom Ausbau des Flughafens, den der bisherige Bürgermeister unbedingt will, hält sie nichts. Begründet wird er mit den Erfordernissen des Tourismus. Statt noch mehr BesucherInnen in die Stadt zu schaufeln, im Interesse allein der Geschäftsleute, müsse die Stadt darüber nachdenken, welche Sorte Tourismus sie eigentlich wolle. Und statt der verlängerten Flughafenpiste sollte, geht es nach ihr, dort ein Landschaftspark entstehen.
Für Bundu steht bezahlbarer Wohnraum im Vordergrund, nachhaltige Müllbeseitigung, die Entwicklung einer Stadt des 21. Jahrhunderts, die sich nicht bloß auf ihrer glorreichen Vergangenheit ausruht.
Bei der Wahl hat sie bloß Außenseiterchancen gegen den Kandidaten der Rechten und den amtierenden Bürgermeister von der gemäßigt linken Partito Democratico. Doch sie setzt auf ein Wunder. Schließlich ist ihr schon das erste Wunder gelungen – alle sieben Listen der chronisch zerstrittenen radikalen Linken hinter ihrer Kandidatur zu vereinen.
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