Kommunalwahlen in England: Bühne frei für Labour
Nicht nur die Konservativen in England implodieren, auch die Nationalisten der SNP in Schottland. Das kann Labour ungeahnte Mehrheiten verschaffen.
N ur drei Jahre ist es her, da dominierten zwei scheinbare Giganten die britische Politik. Boris Johnson in London und Nicola Sturgeon in Edinburgh hatten ihre jeweiligen Parteien beide zu hohen Wahlsiegen geführt und schienen unanfechtbar. Sie konnten einander nicht leiden, weil sie sich so ähnlich waren: populistische Versprechen einer leuchtenden Zukunft nach außen, knallharte Machtpolitik nach innen. Heute sind beide in der Versenkung verschwunden, an den eigenen Unzulänglichkeiten gescheitert und von den eigenen Apparaten verstoßen. Und ihre beiden Parteien haben das nicht überlebt.
Die haushohe Niederlage der Konservativen bei Englands Kommunalwahlen entsprach den schlimmsten Erwartungen. Die Wahlurnen bestätigten, was alle Umfragen sagten: Diese Partei ist nicht mehr mehrheitsfähig. Die Hoffnung von Rishi Sunak, sich durch kompetente Sacharbeit irgendwie aus dem Umfragetief herauszuwühlen, hat sich wieder einmal zerschlagen, und die bevorstehenden Parlamentswahlen dürften das endgültig klären.
Parallel zu den Konservativen in England implodieren in Schottland die Nationalisten der SNP. Sturgeons Nachfolger Humza Yousaf musste seinen Hut nehmen und dürfte durch Sturgeons Vorgänger Peter Swinney ersetzt werden, ein Urgestein, das zwar den Laden zusammenhalten kann, aber nicht im Verdacht steht, irgendeine neue Idee entwickeln zu können. Die Tage der SNP an der Macht scheinen gezählt, und mit dem absehbaren Verlust ihrer schottischen Wahlkreise ist eine absolute Labour-Mehrheit im britischen Parlament, die in England allein kaum zu erzielen wäre, wieder in Sicht.
Der Weg ist nun frei für Labour, landesweit die Scherben aufzusammeln. Aber der Durchmarsch ist keineswegs glatt. Viele Stammwähler sind enttäuscht. Begeisterung entfacht Keir Starmer nicht. Sobald er als Premierminister liefern muss, wird auch er merken, wie vergänglich das politische Leben in Großbritannien geworden ist, wie schnell aus Triumph eine Niederlage werden kann. Die Bühne ist für Labour frei. Der Applaus ist ungewiss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid