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Kommunalpolitiker über Investitionsboost„Wir können keine weiteren Belastungen schultern“

Der Bund möchte die Wirtschaft stärken. Doch der Plan belaste die Kommunen finanziell, warnt der Präsident des sächsischen Städte- und Gemeindetags.

Viel zu Schultern in Radebeul haben nicht nur die Weinbauerm auch die Kommune ächzt unter der Last Foto: Matthias Hiekel/dpa
David Muschenich
Interview von David Muschenich

taz: Herr Wendsche, die Bundesregierung plant, dass Unternehmen in Deutschland weniger Steuern zahlen sollen, damit sie mehr Geld für Investitionen haben. Das soll mehr Wachstum erzeugen. Was halten Sie als Präsident des Sächsischen Städte- und Gemeindetags von dem Plan?

Bert Wendsche: Auch wir Kommunen sind daran interessiert, dass Deutschland die wirtschaftliche Talsohle verlässt. Das geht nur mit Investitionen. Die Kehrseite darf allerdings nicht sein, dass wir Kommunen die erheblichen Ausfälle von Steuereinnahmen tragen, die mit dieser Bestellung des Bundes einhergeht – auch wenn die Bestellung richtig ist.

Bild: Stadtverwaltung Radebeul
Im Interview: Bert Wendsche

Der Kommunalpolitiker ist 61 Jahre alt und Präsident des Sächsischen Städte- und Gemeindetags. In der Großen Kreisstadt Radebeul, nordwestlich von Dresden, ist er seit 2001 Oberbürgermeister. Zudem ist er seit 2019 im Meißner Kreistag. Obwohl er keiner Partei angehört, ist er dort Co-Vorstizender der CDU-Fraktion.

taz: Laut dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, würden Kommunen durch den Investitionsbooster deutschlandweit bis 2027 fast 7 Milliarden Euro verloren gehen. Wie sieht es da in Sachsen aus?

Wendsche: Wir haben ausgerechnet, dass die sächsischen Kommunen bis 2029 in der Summe einen Verlust von 360 Millionen Euro an Gewerbesteuer und Gemeindeanteil-Einkommenssteuer hätten. Wenn man sich dann vor Augen hält, dass wir aktuell in der schlimmsten Finanzkrise der kommunalen Ebene stecken, die wir je hatten, kann jeder sehen: Wir können keine weiteren Belastungen schultern. Schon unsere aktuelle Last überfordert uns. Im Vorjahr hatten wir einen Finanzverlust von 682 Millionen Euro.

taz: Welche Folgen hätte es denn, sollten die Kommunen noch weniger Geld haben?

Wendsche: Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder, man verzerrt die noch vorhandene Liquidität endgültig. Das Geld steht dann aber nicht mehr für Investitionen zur Verfügung. Da kann auch die Wirtschaft kein Interesse dran haben, dass die kommunalen Investitionen zum Erliegen kommen. Oder, man schränkt die kommunalen Angebote weiter ein; also Sportangebote, Schulangebote, Sozialangebote. Auch das wäre in der jetzigen Situation kontraproduktiv und den Bürgern kaum vermittelbar.

taz: Können Sie konkrete Beispiele nennen, um welche Angebote es da geht?

Wendsche: Konkret muss das natürlich jede Stadt oder Gemeinde entscheiden. Klassische Angebote, die Kommunen für ihre Bürgerschaft bereithalten, sind die Schul- und Kita-Infrastruktur, große Teile der Kultur- und Sozialinfrastruktur, die Förderung von Trägern, die örtliche Schwimmhallen oder der Öffentliche Personennahverkehr.

taz: Und es könnte sein, dass Angebote wegfallen, wenn die Kommunen weiter sparen müssen?

Wendsche: Wir haben ja in Sachsen jetzt schon eine Haushaltsnotlage, durch die überall Angebote konsolidiert werden – und konsolidiert heißt natürlich: einschränken. Das sollte man nicht beschleunigen, denn wenn das kommunale Leben zum Erliegen kommt, ist das auch kontraproduktiv für die Wirtschaft. Wir brauchen eine gemeinsame Aufbruchsstimmung von kommunaler Ebene und Unternehmen; das geht nicht im Gegeneinander.

taz: Aber ist für sowas nicht Geld aus dem Investitionspaket für die Infrastruktur da, für das der Bundestag im März 500 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen hat?

Wendsche: Nein. Ich denke, das Paket wird frühestens 2027 finanziell ausgabewirksam. Dann können wir damit weitere Investitionen fördern, aber unser aktuelles Problem sind die steigenden Ausgaben – Stichwort: Sozialausgaben – die wir nicht durch die Einnahmen gedeckt kriegen. Dieses Problem muss angegangen werden. Investitionen nützen nichts, wenn Sie vorher insolvent sind.

taz: Der Investitionsbooster könnte – falls die Wirtschaft wieder wächst und die Unternehmen mehr verdienen – auf lange Sicht zu mehr Steuereinnahmen bei den Kommunen führen.

Was nützt mir das Paradies, wenn ich es gar nicht erreiche, weil ich vorher pleite gegangen bin?

Bert Wendsche, Sächsischer Städte- und Gemeindetag

Wendsche: Völlig unstrittig. Aber was nützt mir das Paradies, wenn ich es gar nicht erreiche, weil ich vorher pleite gegangen bin?

taz: Die Kommunen könnten also auch mit der Aussicht auf spätere Mehreinnahmen nicht verschmerzen, dass sie erstmal weniger Geld bekommen?

Wendsche: Wir können es zurzeit nicht decken. Unsere Landkreise sind mittlerweile in gigantischen Höhen in Kassenkrediten. Das darf nicht sein. Wir müssen wieder dahin kommen, dass die laufenden Einnahmen die Ausgaben decken. Deswegen verkraften wir das nicht.

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