Ausstellung über Berliner Hinterhöfe: Kommste rein, kannste rausgucken
Eine Ausstellung erzählt Berliner Stadtgeschichte durch Hinterhöfe. Migration und Zuwanderung spielen eine zentrale Rolle.
Die Videoinstallation der Stadtforscher*innen Sinthujan Varatharajah und Duygu Örs zeigt die Koexistenz dieser gegensätzlichen Welten im selben Kiez. Sie ist Teil der Sonderausstellung „Berliner Höfe – Zwischen Alltag, Arbeit und Begegnung“, die das Stadtmuseum ab Freitag im Museum Ephraim-Palais präsentiert.
Die Ausstellung nähert sich Berliner Höfen aus verschiedenen Perspektiven: Migration, Armut, Wendezeit, Ökologie, Stadtentwicklung und Architektur. „Wir wollen damit Sichtbarkeit schaffen für diverse Perspektiven“, sagt Ines Hahn, eine der Kurator*innen. Die Ausstellung zeigt Grafiken und Fotografien aus der Sammlung des Stadtmuseums, von 1771 bis heute. Die verborgenen Orte sind vielfältig: Treffpunkte zum Spielen und Feiern, Gewerberäume von Schneidereien über Yogastudios, Räume des Alltags mit Mülltonnen, Fahrrädern und Wäscheleinen.
Migration ist konstitutiv für Stadtentwicklung
Ein Schwerpunkt ist Migration, denn: „Stadtentwicklung hat immer auch mit Migration und Zuwanderung zu tun“. Schon im 18. Jahrhundert zogen Handwerkerfamilien aus dem sächsischen Vogtland für die Lohnarbeit in die Großstadt, ab den 1950er Jahren sogenannte Gastarbeiter*innen. Auf Fotos sind türkische Männer zu sehen, die in einem Hof Mandarinen aus einem Transporter ausladen. Nach dem Anwerbestopp 1973 und der Ölkrise verloren viele sogenannte Gastarbeiter*innen ihre Arbeit – einige machten sich selbstständig, gründeten Kleingewerbe in den Hinterhöfen. Andere Höfe entwickelten sich zu zentralen Treffpunkten der türkischen Community: Im Filmtheater BBB in Kreuzberg etwa liefen in den 1970ern türkische Filme.
Höfe spiegeln den Wandel der Stadt. „Höfe sind umkämpft in Zeiten erneuter innerstädtischer Verdichtung“, sagt Kuratorin Hahn. Und das nicht erst seit Neuestem: Öffnet man einen der rostigen Metallbriefkästen am Eingang, läuft darin ein Video von der Besetzung des Jugendzentrums „Putte“ in Mitte in den 70er Jahren.
In einem anderen Briefkasten liegt eine Packung Sonnenblumenkerne – ein Snack beim Herumhängen. Darauf kaut auch Rapper Pashanim im Musikvideo zu seinem Lied „Hauseingang“, das in einem Kreuzberger Hinterhof spielt, herum. Zwölftklässler*innen einer Schule in Kreuzberg haben das aufgegriffen. Auch sie dürfen in der Ausstellung ihre Geschichten erzählen.
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