Kommerzielle Nutzung von Handy-Daten: Wenn Menschen zu Sensoren werden
Verschiedene US-Firmen nutzen Daten von Mobilfunk-Anbietern, um das Verhalten von Menschen in Städten zu analysieren. Die Handy-Besitzer werden so unfreiwillig zu Sensoren.
Mobiltelefone sind viel mehr als Mittel zur Sprachkommunikation. Über die aktuell verwendete Funkzelle oder einen GPS-Chip lässt sich ihr Standort ermitteln, was wiederum Rückschlüsse auf die aktuelle Verteilung der Bevölkerung in einer Stadt ermöglicht. In den USA haben mehrere Firmen damit begonnen, diese Informationen kommerziell zu nutzen: Der Anbieter Skyhook Wireless verkauft seine Statistiken beispielsweise an Marketingfirmen, das Unternehmen Sense Networks will Stadtplanern helfen.
Die Technik, die auch auf den Namen "Reality Mining" hört, nutzt die anonymisierten Datenbestände, die von Smartphones und Laptops stammen, aber auch von Mobilfunkanbietern geliefert werden. So kann Skyhook bis auf 100 Meter genau ermitteln, wann sich wo besonders viele Menschen tummeln. So ist beispielsweise feststellbar, welcher Stadtteil gerade besonders "hip" ist, um Werbekampagnen zu starten oder den Bau von Shoppingzentren zu planen.
Sense Networks sammelt wiederum Echtzeitinfos mit einer noch größeren Datenbasis, weil die Informationen direkt von den Netzbetreibern kommen. Daraus ergeben sich genaue Karten, in die Kunden bis auf Straßenebene hineinzoomen können. Probleme mit Datenschützern scheinen weder Skyhook noch Sense Networks zu haben – sie berufen sich darauf, dass die Informationen anonymisiert angeliefert würden.
Nicht nur die Nutzungsdaten von Handys werden mittlerweile verwendet, um Trends in der Bevölkerung abzulesen. So laufen bereits Projekte, die die Suchanfragen bei Google auswerten, um Grippe-Epidemien zu verfolgen. Die Idee: Wenn viele Menschen aus bestimmten Regionen häufig nach Schnupfen- und Hustenmitteln suchen, kann dies ein Anzeichen auf einen aktuell beginnenden Krankheitsschwerpunkt sein.
Tatsächlich sollen diese Daten in einigen Fällen bereits genauer und vor allem schneller verfügbar sein als die der Gesundheitsämter. Der Grund: Deren Informationen stammen zumeist von Ärzten, zu denen Menschen erst gehen, lange nach denen sie Maßnahmen gegen ihre Krankheit gegoogelt haben.
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