Kommentsr AKW-Laufzeitverlängerung: Üppige Gaben, vage Zusagen
Laufzeitverlängerung für AKWs auf acht Jahre? Die Atompläne von Minister Glos sind noch dreister als erwartet.
Malte Keutzfeldt ist Leiter des taz-Ressorts Wirtschaft und Umwelt.
Patentmittel gegen den Energiepreisschock, Voraussetzung für effektiven Klimaschutz: Dieses neue Bild von der Atomkraft versucht die Union im Einklang mit den Energiekonzernen schon seit geraumer Zeit in die Köpfe der Menschen zu hämmern. Die Dreistigkeit, mit der das Wirtschaftsministerium nun allerdings den Atomausstieg revidieren will, kommt dennoch überraschend.
In den Eckpunkten für ein "Kernenergie-Nutzungskonzept" unterschlagen die angeblichen Experten nicht nur das ungelöste Endlagerproblem und die wachsenden Sicherheitsrisiken. Sie verbreiten zudem erneut das Märchen vom billigen Atomstrom - ohne auch nur ansatzweise dafür zu sorgen, dass die Preise tatsächlich sinken oder die zusätzlichen Gewinne der Konzerne abgeschöpft werden. Im Gegenzug für eine Verlängerung der Laufzeiten um acht Jahre soll lediglich auf freiwilliger Basis eine anteilige Abführung der Zusatzgewinne geprüft oder über kaum realistische Sonderpreise für Atomstrom nachgedacht werden.
Wie ernst die Industrie solche freiwilligen Verpflichtungen nimmt, hat sie in der Vergangenheit oft bewiesen. Selbst bindende Verträge wie den von den Stromkonzernen unterschriebenen Atomkonsens haben diese nur so lange akzeptiert, wie er ihnen nicht wehtat. Jetzt, wo es tatsächlich ans Abschalten gehen soll, tun die Energiekonzerne alles, um die Vereinbarung zu kippen.
Dabei wäre es selbstverständlich möglich, die Gewinne aus einem längeren Betrieb der Atomkraftwerke abzuschöpfen, etwa durch eine Brennelementesteuer. Von diesem Instrument, mit dem tatsächlich eine Unterstützung von erneuerbaren Energien oder ein Zuschuss für Sozialtarife beim Strom finanziert werden könnte, halten die Stromkonzerne aber natürlich überhaupt nichts. Und auch im Konzept des Wirtschaftsministeriums ist davon nichts zu lesen.
Selbst unter solchen Rahmenbedingungen wäre eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten mehr als fraglich, weil sie wenig Nutzen für ein hohes Risiko bedeutet. Ohne solche Regeln ist sie jedoch Lobbypolitik in Reinform - und zeigt überdeutlich, welchen Interessen sich die Union wirklich verpflichtet fühlt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pressekonferenz in Mar-a-Lago
Trump träumt vom „Golf von Amerika“
Bürgergeld-Populismus der CDU
Die Neidreflexe bedient
Verkehrsranking
Das sind die Stau-Städte
Anbiederungen an Elon Musk
Der deutsche Kriecher
Religionsunterricht
Deutschlands heilige Kuh
Habeck-Werbung in München
Grüne Projektion