■ Kommentare * Startschuß für eine Wiedergeburt der Linken: Botschaft für Europa
Der Absturz des „sozialistischen Experiments“ in Frankreich, der Zusammenbruch des schwedischen Modells, der schmerzhafte und verlustreiche Wandel der italienischen Linken, 15 Jahre Oppositionsbank für die deutsche Sozialdemokratie und die britische Labour Party, der Fall der PSOE in Spanien – klare Zeichen für das besorgniserregende Panorama, das die Linken in den wichtigsten europäischen Ländern bieten. Der Sieg New Labours scheint diese verheerende Entwicklung zu stoppen.
Tony Blair arbeitete seit Jahren behutsam auf diesen Erfolg hin. Der Startschuß fiel 1990 mit dem Dokument „Looking for the future“, ein künftiges Regierungsprogramm, das die Marktwirtschaft akzeptiert und sich nur noch mit ihren Grenzen beschäftigt. Die logische Folge war die Streichung von „Clause Four“ zur Verteidigung der sozialen Gerechtigkeit. Die Labour Party hat Importkontrollen und Subventionen aus ihrem Wortschatz gestrichen. Schon längst spricht niemand mehr vom „nationalen Weg zum Sozialimus“ oder von der Verstaatlichung der Produktionsmittel.
Die bedeutendste Modernisierung beim Konzept New Labours ist die Zustimmung und die aktive Mitgestaltung des europäischen Einigungsprozesses. Die erste Entscheidung von Tony Blair, die Unterschrift unter die Sozialcharta der EU, zeigt, daß wir es mit der ersten europäisch gesinnten britischen Regierung dieses Jahrhunderts zu tun haben.
Die Linke kann nur mit einem Programm für ein soziales Europa und der Solidarität mit den unterentwickelten Ländern zur handfesten Alternative gegenüber der neoliberalen europäischen Rechten werden. Blair hat genau dies verstanden. Und was noch viel wichtiger ist: Er konnte ein so national-chauvinistisches Volk wie die Briten dafür begeistern.
New Labour ging mit einem großen Vorteil in die politische Schlacht: die innerparteiliche Einheit bei dem seit Jahren überfälligen Reformprogramm. An dieser Einheit fehlt es in der Linken sowohl in Deutschland als auch in Italien, Frankreich und Spanien. In diesen Ländern hat die Linke es bisher noch nicht geschafft, ein glaubhaftes gemeinsames Programm auszuarbeiten. Die französische Linke liefert angesichts der Wahlen Ende Mai den besten Beweis dafür.
Die Strategie der Linken für das nächste Jahrhundert muß Erneuerung und Zusammengehen heißen. Blair ist einen wichtigen Schritt in diese Richtung gegangen und konnte so seiner Stimme in Großbritannien Gehör verschaffen. Warum soll Resteuropa nicht auch in der Lage sein, eine solche Botschaft zu verstehen? Diego López Garrido
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen