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KommentarDas Beton-Ressort

Kommentar von Stephan Kosch

Der Bundesminister für Bau und Verkehr, Wolfgang Tiefensee, galt dereinst als Hoffnungträger. Nun müsste er diese Hoffnunen auch erfüllen.

A ls Wolfgang Tiefensee vor knapp zwei Jahren das Bundesministerium für Bau und Verkehr übernahm, galt er als Hoffnungsträger. Als charismatischer Leipziger Oberbürgermeister hatte er sich einen Namen gemacht. Ein menschlicher Modernisierer, ein positiver Ossi, der die Chancen der Wiedervereinigung nutzt und dabei die Menschen mitnimmt. Sozialdemokratie im besten Sinne.

Tiefensee sollte für neue Impulse im Bau- und Verkehrsministerium sorgen. Denn das war nicht erst in den Jahren des bedächtigen Manfred Stolpe zum trägen Koloss geworden, in dem Betonköpfe in der Verwaltung eine zukunftsfähige Politik verschleppten. Ärgerlich, denn dem Ministerium kommt wegen seines riesigen Etats und seiner Entscheidungskompetenz beim Thema Bahn, Autoverkehr und Städtebau eine zentrale Rolle in der Ökologisierung Deutschlands zu.

An diesem Modernisierungsanspruch ist Tiefensee bislang gescheitert. Das zeigt auch das aktuelle Beispiel Bahnprivatisierung. Verfassungsrechtliche Bedenken der Justizministerin und die berechtigte Angst vor einem Freifahrtschein für das Bahnmanagement aus dem Wirtschaftsressort prallen ab, der überarbeitete Gesetzentwurf bleibt im Kern so konzernfreundlich, wie er es von Anfang an war. Mit der Automobilindustrie legt sich Tiefensee trotz aller Klimaproblematik auch nicht an, ein Tempolimit bleibt ebenso tabu wie eine Pkw-Maut oder saftige Steuern für Spritschlucker.

Wollte der Mann aus Leipzig in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit doch noch die Hoffnung erfüllen, die man in ihn gesetzt hat - er müsste sich mit vielen anlegen. Als Erstes mit Bahnchef Mehdorn. Doch das hat erst einer gewagt. Tiefensees Vorvorgänger Kurt Bodewig (SPD) forderte auf einem grünen Parteitag, dass das vom Steuerzahler finanzierte Schienennetz vom Staat kontrolliert werden soll. Das überlebte er politisch nicht, dazu konnten Mehdorn und der damalige Kanzler Schröder zu gut miteinander. Mit der Kumpanei von Bahn und Kanzleramt ist es mittlerweile vorbei. Tiefensee könnte zum Angriff übergehen. Er müsste sich nur trauen.

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1 Kommentar

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  • WK
    Werner Klingbiel

    Da sage einmal einer, die SPD habe nichts von der DDR übernommen. Gelernt hat sie zumindest von ihr wie Seilschaften richtig einzusetzen sind. Stolpe und Leipzigs OB Tiefensee wurden Verkehrsminister, Bundeskanzler Schröder ist inzwischen Mitarbeiter eines staatlichen Konzerns Rußlands. Sein Wirtschaftsminister und heutiger Kunde Müller ist in Personalunion Aufsichtsratsvorsitzender des Staatlichen Verkehrsmischkombinates der BRD , genannt DBAG, mit angeschlossenem Schienenmonopol. Von einem Eisenbahnunternehmen kann man ja bei der DBAG kaum mehr sprechen.

    Das Infrastrukturmonopol ist das einzige was Herrn Mehdorn heilig ist und dafür hat er Gründe, wie jeder Monopolist.

    Und jetzt soll gemeinsam mit der Gewerkschaft Transnet ohne Not und allen Selbstverpflichtungen zur Altersgrenze zum Trotz Herr Mehdorn eine weitere Amtszeit aufs Schild gehoben werden. Wurden vielleicht die DBAG Aktien bereits innerhalb der SPD und ihrer Freunde verteilt und ist deshalb der Börsengang unter Wert mit garantiertem Unternehmensgewinn aus Steuern so wichtig z. B. für Herrn Müller und Herrn Tiefensee? Könnte vielleicht ein anderer Aufsichtsratsvorsitzender diesen genialen Plan unterlaufen und gar die Eisenbahn als Daseinsvorsorge für die Republik und ihre Bürger, nicht nur als große Kasse für Apparatschicks aus dem Dunstkreis der SPD betrachten?

    Gründe das zu vermuten, gibt es ausreichend.