Kommentar: Spielball der Lobbyisten
Beim Emissionshandel sollten weiter wirre Regeln gelten - damit die Lobbyisten keine Chance haben.
M an stelle sich vor, eine Internetauktion würde folgendermaßen funktionieren: Ein Auto würde nicht einfach an den Meistbietenden verkauft, sondern jeder Interessent bekäme individuelle Boni oder Zuschläge angerechnet. Wer bislang einen Spritschlucker fuhr, bekäme Rabatt, wer sich zum ersten Mal ein Auto kauft, müsste Aufschlag zahlen. Wer zwar schon einen Wagen hat, diesen aber nur selten nutzt, könnte ebenfalls auf Preisabschlag hoffen. Am Ende bekäme derjenige das Fahrzeug zugeteilt, der in der Arithmetik eines eigentümlichen Verfahrens am besten abschneidet.
Eine absurde Vorstellung. Doch eine vergleichbare Praxis herrscht bei der Zuteilung der Verschmutzungsrechte. Denn Industrielobbyisten und zahlreiche lobbyhörige Politiker haben das an sich höchst charmante Instrument Emissionshandel zum Spielball von Einzelinteressen degradiert. Das war bisher so, und es soll offenbar ab 2008 so weitergehen. Denn die Bundesregierung will Braunkohlekraftwerken 10 Prozent mehr Emissionszertifikate geben als Steinkohlekraftwerken. Neuanlagen werden wohl bewusst benachteiligt, obwohl sie ja gerade alte Dreckschleudern ersetzen sollen, und wer vergleichsweise klimafreundliche Anlagen baut, der soll auch noch bestraft werden. Und schließlich will der Staat sich nicht einmal vorbehalten, Unternehmen die verteilten Zertifikate rückwirkend wieder zu entziehen, falls die Firmen ihre Kraftwerke nur im Scheinbetrieb laufen lassen, um ihre Anspruchsgrundlage für kostenlose Emissionspapiere zu sichern.
Hinter jeder dieser verworrenen Regeln stecken Lobbys der Energiewirtschaft - und sie haben beschämenderweise bei der Bundesregierung Gehör gefunden. Diejenigen, wie speziell Wirtschaftsminister Glos, die sonst immer vom Markt reden, geben Einzelinteressen hier den Vorrang. Wer wirklich den Markt will - und der ist hier wirklich sinnvoll -, muss für die Emissionszertifikate das Prinzip wählen, das Internetauktionen praktizieren: Man versteigert die Zertifikate in einem transparenten Verfahren. Für Lobbyisten bleibt da kein Platz mehr.
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