Kommentar: Die UNO muss Alarm schlagen
Kongo droht in eine erneute Willkürherrschaft abzugleiten. Die Vereinten Nationen sollten dieser Gefahr eine stärkere Aufmerksamkeit widmen.
D er Journalist Serge Maheshe wird auf dem Nachhauseweg von der Arbeit auf der Straße von Soldaten erschossen. Die Journalistin Anne-Marie Kalanga wird vor ihrem Haus mit Beinschüssen niedergestreckt. Ein weiterer bedrohter Journalist muss von UN-Truppen aus seiner Heimatstadt evakuiert werden. Drei Vorfälle aus der Demokratischen Republik Kongo im Laufe der vergangenen Woche, die zeigen, wie wenig das Land trotz freier Wahlen auf dem Weg zu mehr Rechtsstaatlichkeit und weniger Staatsterror vorangekommen ist.
Dominic Johnson ist in der taz-Auslandsredaktion zuständig für Afrika. 2006 hielt er sich mehrere Monate in der Demokratischen Republik Kongo auf und berichtete aus Kinshasa über die beiden Wahlgänge.
Die Kongo-Etappe der laufenden Afrikareise des UN-Sicherheitsrats ist weniger medienträchtig als die Krisenberatungen zu Darfur im Sudan - trotzdem sollte die UNO ihr mehr Aufmerksamkeit schenken. Anders als im Sudan hat die UNO im Kongo, dem Land mit der größten UN-Blauhelmmission der Welt, beträchtlichen Einfluss - auf die Politik und vor allem auf die globale Wahrnehmung. Ein knappes halbes Jahr nach Einsetzung der neu gewählten Regierung wäre jetzt der Moment gekommen, auch öffentlich gegen das Abgleiten des Kongo in erneute Willkürherrschaft Stellung zu beziehen.
Die Erschießung von rund 130 unbewaffneten Demonstranten in der Westprovinz Bas-Congo Ende Januar, die blutigen Kämpfe mitten in Kinshasa mit hunderten Toten Ende März, die Eskalation brutaler Gewalt von Armee und Milizen im Osten des Landes seit April - all dies müsste gereicht haben, um das Vertrauen in Kongos neuen Staat zu verlieren. Viele Kongolesen haben dieses Vertrauen schon verloren. Aber die UNO und andere internationale Institutionen beschwören immer noch lieber die lichte Zukunft als die düstere Gegenwart. Ein ums andere Mal hat die UN-Mission Monuc kritische Untersuchungsberichte über staatliche Verbrechen im Kongo unter den Teppich gekehrt.
Dass jetzt die Sicherheit von Journalisten und anderen gefährdeten Berufsgruppen thematisiert wird, ist ein gutes Zeichen. Vielleicht ringt sich ja sogar der Sicherheitsrat zu einem Ausdruck tiefer Besorgnis durch. Es ist ein Drama, dass dafür erst Menschen sterben müssen.
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