Kommentar: Illusionen in Nahost
De internationale Diplomatie läuft auf Hochtouren. Doch eine Einigung mit Abbas allein führt nicht weiter - ohne die Hamas wird es keinen Frieden geben.
I sraels Nachbarn treffen sich auf dem Nahostgipfel in Scharm al-Scheich, das Nahostquartett tritt in Jerusalem zusammen. Die internationale Diplomatie läuft wieder auf Hochtouren. Gerade eine Woche ist vergangen, seitdem die Hamas als Sieger aus der blutigen Schlacht im Gazastreifen hervorging, da gibt es wieder Hoffnung auf einen Frieden. Doch die Euphorie ist verfrüht. Möglich wurden die Initiativen, weil Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, die Verfassung ignorierend, eine Notstandsregierung vereidigte und das Parlament außer Gefecht setzte. Demokratisch war das nicht.
Susanne Knaul (46) ist Nahost-Korrespondentin der taz in Jerusalem. Sie lebt seit 1989 in der Region und arbeitet seit 1999 für die taz.
Nun sind Abbas und seine Leute erneut für den Frieden zuständig, wie zu Zeiten vor der letzten Parlamentswahl. Bald fließen wieder Gelder in die Autonomiebehörde, um von den Funktionären der Fatah gerecht unter sich aufgeteilt zu werden. Auch wenn es den Menschen im Westjordanland zunächst besser gehen mag, um ihre letzte Wahlentscheidung werden sie doch betrogen.
Die Wahlen hatte die Hamas gewonnen. Die Vorstellung, ohne diese islamistische Bewegung einen Friedensprozess durchsetzen zu können, ist nicht nur illusorisch. Sie zeugt auch von einer Fortsetzung der Blindheit, mit der Abbas und die Fatah seit eineinhalb Jahren die eigene Niederlage nicht erkennen wollten. Ähnlich illusorisch ist die Hoffnung, dass die neuen Waffen, mit denen Israel die Fatah rüsten will, gegen die Hamas zum Einsatz kommen werden. Abbas hat sich von jeher schwer mit dem Kommando zum Angriff getan, vor allem gegen Volksgenossen.
Die einzige Veränderung, die die nahöstlichen Friedensperspektiven wirklich erhellen könnte, müsste von der Hamas selbst ausgehen. Nach dem eineinhalb Jahre dauernden internationalen Boykott wollen die Islamisten noch hartnäckiger ihren Gottesstaat errichten. Trotz der wirtschaftlichen Not, die die politische Wende für die Palästinenser bedeutete, ist die Hamas heute nicht weniger populär als Anfang 2006. Solange die Islamisten nicht von der Zweistaatenlösung zu überzeugen sind, gibt es weder mit noch ohne Hamas Frieden im Nahen Osten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!