Kommentar: Pudel an der langen Leine
Tony Blair hält sich als Friedensvermittler in Nahost für prädestiniert - aber er wird auch in seinem neuen Job US-Präsident Bush dienen.
G estern ist Tony Blair als britischer Premier abgetreten - und schon hat er einen neuen Job: Gesandter im Nahen Osten. Im Auftrag des Quartetts aus UNO, EU, USA und Russland soll er Palästinenser und Israelis an den Verhandlungstisch bringen.
Für diese Aufgabe sei er prädestiniert, sagt Blair. Denn der Nahost-Friedensprozess benötige das gleiche "Mikro-Management", das er in Nordirland angewandt habe. Die Sache hat nur einen Haken: Die beiden Fälle lassen sich nicht vergleichen. Sicher, Großbritannien war an beiden Konflikten stark beteiligt, doch in Nordirland sind die Briten noch immer Konfliktpartei. So hatte Blair Spielraum, Zugeständnisse zu machen und Kompromisse auszuhandeln. Zudem war der Grundstein für den Friedensprozess von anderen gelegt worden - nicht von der britischen Regierung. Die hatte noch auf eine militärische Lösung des Konflikts gesetzt, als die IRA hinter den Kulissen mit der nordirischen Sozialdemokratischen Partei verhandelte.
Blairs Ankunft im Nahen Osten wird von den dortigen prowestlichen Regierungen begrüßt werden, ihre Bedenken werden sie für sich behalten. Sie sind froh, dass sich überhaupt etwas tut, nachdem Blairs Vorgänger James Wolfensohn im April vorigen Jahres das Handtuch geworfen hat. Doch in Gaza wird man Blair nicht mit offenen Armen empfangen. Abgesehen vom Irakkrieg erinnert man sich auch gut an seine führende Rolle beim Embargo gegen die palästinensische Regierung, weil die Bevölkerung nicht so gewählt hatte, wie es sich Großbritannien und die USA gewünscht hatten. Und im Libanon hat man nicht vergessen, dass er sich beim Kampf zwischen Israel und der Hisbollah vornehm zurückgehalten hat.
Blair wird sein Image als "Pudel" des US-Präsidenten George Bush nicht los, zumal sich die britische Nahostpolitik in der Vergangenheit nicht von der US-amerikanischen unterschied. Da Blair seinen neuen Job dem US-Präsidenten verdankt, der die anderen Mitglieder des Quartetts praktisch vor vollendete Tatsachen gestellt hat, darf man kaum auf irgendwelche Initiativen Blairs hoffen, die Bush nicht abgesegnet hat.
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