Kommentar: Scheinheiliger Rückzug
Eine abenteuerliche Position: Nein zu "Enduring Freedeom", Ja zur Isaf. Die SPD-Fraktion kann oder will die Lage in Afghanistan nicht verstehen.
E ntweder die SPD-Fraktion versteht überhaupt nichts von der Lage in Afghanistan - oder sie glaubt, die Bevölkerung verstünde nichts davon und ließe sich deshalb für dumm verkaufen. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Sicherheitspolitiker Hans-Peter Bartels recht hat mit seiner Behauptung, eine Mehrheit der SPD-Abgeordneten sei für ein Ende der deutschen Beteiligung an der Antiterroroperation "Enduring Freedom" in Afghanistan. Es falle dann auch leichter, das Mandat für die internationale Isaf-Schutztruppe zu verlängern. Das ist eine abenteuerliche Position.
Eigentlich ist es ja immer eine Freude, wenn die SPD - und sei es noch so spät - zu der Erkenntnis kommt, dass ein Krieg doch keine so gute Idee war, wie sie ursprünglich angenommen hatte. Das ist ihr im Lauf ihrer Geschichte bekanntlich schon mehrfach widerfahren. Aber nicht jeder Fehler lässt sich nachträglich korrigieren. Wer sich heute aus "Enduring Freedom" in Afghanistan zurückzieht, zieht sich schon lange nicht mehr gleichzeitig aus dem Kampfgeschehen zurück.
Die Trennung zwischen beiden Mandaten sei mittlerweile "so klar wie Schlamm", spottete kürzlich ein US-Offizier. Als Einheiten, die nur für Wiederaufbau und Friedenssicherung zuständig sind, gelten die Isaf-Soldaten schon lange nicht mehr. Wie auch? Erst vor ein paar Tagen starben bei einem Luftangriff der Nato-geführten Truppe in der südafghanischen Provinz Helmand zahlreiche Zivilisten, darunter laut Polizeiangaben neun Frauen und drei Babys.
Die Isaf soll gegen Aufständische vorgehen, "Enduring Freedom" gegen Terroristen. Diese Unterscheidung ist realitätsfern - zumal in einem Land, in dem Selbstmordattentate an der Tagesordnung sind. Dass der Krieg in Afghanistan zu gewinnen ist, glaubt inzwischen kaum noch jemand. Es ist bezeichnend, dass Präsident Karsai deutliche Kritik an den ausländischen Truppen übt und warnt, die steigende Zahl getöteter Zivilisten gefährde seine Regierung. Vor diesem Hintergrund ist der Kurs, den die SPD offenbar einschlagen möchte, einfach nur scheinheilig.
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