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KommentarGroße Koalition der Ignoranz

Lukas Wallraff
Kommentar von Lukas Wallraff

Die Verschärfungen des Einwanderungsrechts schadet der Intergation. Auerdem: wie soll Globalisierung bei geschlossenen Grenzen funktionieren?

D er Bundesrat hat den Verschärfungen des Einwanderungsrechts zugestimmt, die Innenminister Wolfgang Schäuble und Arbeitsminister Franz Müntefering wollten. Alles andere wäre auch eine Sensation gewesen. Dass die schwarz-rot dominierte Länderkammer Gesetze der schwarz-roten Bundesregierung durchwinkt, ist das Normalste der Welt. Aber genau darin liegt das Problem: Ohne schlagzeilenträchtigen Koalitionsstreit hält sich die öffentliche Aufmerksamkeit für neue Gesetze in Grenzen. Das ist bedauerlich. Denn so fällt kaum auf, wie ängstlich Union und SPD in altem Denken verharren. Wie sie die Ratschläge sämtlicher Einwanderungsexperten, der wichtigsten Migrantenverbände, aber auch der Wirtschaft ignorieren.

Bild: taz

Lukas Wallraff (36) ist Redakteur im Hauptstadtbüro der taz. An der Union fasziniert ihn der bescheidene Anspruch: Hauptsache Regieren.

Es ist absurd: Bei jeder Gelegenheit schwafeln Kanzlerin Angela Merkel und ihre Minister von den Chancen der Globalisierung. Mit ihren Gesetzen aber halten sie die Grenzen dicht. Obwohl in vielen Branchen längst Fachkräfte fehlen, bleiben die Hürden selbst für hochqualifizierte Ausländer hoch. Neueinwanderer müssen ein Gehalt vorweisen, das dreimal höher liegt als der hiesige Durchschnittsverdienst. Legale Einwanderung von Fachleuten, die nachweislich Arbeitsplätze schafft, wird so verhindert. Mit dieser Mutlosigkeit gefährdet die Koalition die ökonomische Entwicklung.

Mit den Verschärfungen bei Familiennachzug und Einbürgerung schadet die Regierung der Integration. Die Einwände der Vertreter von Migranten, die hier leben, wurden komplett außer Acht gelassen. Der Bundesratsbeschluss nur wenige Tage vor dem Integrationsgipfel ist eine Provokation. Es ist verständlich, dass die deutschtürkischen Verbände einen Boykott der Show im Kanzleramt erwägen. Und es ist interessant, wie der Bundespräsident auf ihren Appell reagiert, die Gesetze nicht zu unterschreiben, weil sie, wie Juristen meinen, gegen den Schutz von Ehe und Familie verstoßen. Horst Köhler hält viel auf seine Unabhängigkeit. Und er versprach bei Amtsantritt, für alle Bürger da zu sein, auch für die Migranten. Nun kann er wirklich Mut beweisen - und das Antizuwanderungsgesetz aufhalten.

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens
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3 Kommentare

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  • K
    K.D.Neumann

    Warum Zuwanderung?

    Ich bin knapp 50 Jahre alt(?) und seit 5 Jahren ohne Arbeit. Warum schafft die Regierung nicht erstmal für Menschen wie mich Bedingungen für Arbeitsplätze? Und warum die Unternehmerverbände mehr Zuwanderung ist doch klar: Das Gesetz von Angebot und Nachfrage, noch mehr Menschen die Arbeit suchen für die weniger werdende Arbeit. Das läßt die Löhne sinken und die Profite steigen, Wahlkampffutter für alles Extreme...

  • IN
    Ihr Name Alster

    Warum Zuwanderung? Unsere Regierung

    bekommt nicht einmal das Soziale für

    die eigene Bevölkerung in den Griff.

    Die Diktatur des Kapitalismus hat verhindert, das hier in Deutschland

    Fachkräfte ausgebildet wurden, weil

    zu teuer für die Habgier.Man sollte eine Politik betreiben, die dafür sorgt, dass weniger Deutsche auswandern, anstatt fortwährend nach

    Zuwanderung zu schreien. Dafür haben

    nur Leute Verständnis, deren Arbeits-

    platz durch Zuwanderung nicht gefähr-

    det ist.

  • WS
    wolfgang stein

    Fachkräfte und bildungswilligen Menschen

    sollte die Einbürgerung erleichtert

    werden. Aber bitte nicht mehr der Boden-

    satz aus Anatolien und die potentiellen

    Sozialhilfeempfänger aus Afrika.Für die

    Afrikaner muß die skandalöse Handespo-

    litik der Europäer geändert werden. Da

    sollten die Hilfsorganisationen und die

    Presse (taz) mehr druck machen.