Kommentar: Browns Schaufensterdiplomatie
Durch seine Ausweisung von russischen Diplomaten aus Großbrittannien wirkt Gordon Brown naiv. Und das Agentenkarusell dreht sich weiter.
E s gäbe dringendere außenpolitische Aufgaben für die neue britische Regierung, sollte man meinen. Doch Premierminister Gordon Brown stellte Irak, Afghanistan und Europa hintan und schickte stattdessen vier russische Diplomaten nach Hause, weil sich die Moskauer Regierung weigert, den Mordverdächtigen Andrei Lugowoi auszuliefern.
Ralf Sotscheck, 53, berichtet seit 22 Jahren für die taz aus Dublin.
Natürlich war der Mord an dem russischen Dissidenten Alexander Litvinenko durch radioaktives Polonium abscheulich, und der Täter gehört hinter Gitter. Aber klar ist auch, dass die Russen Lugowoi nicht ausliefern werden. Zu glauben, dass man lediglich einen Auslieferungsantrag nach Moskau faxen müsse und Lugowoi im nächsten Flugzeug nach London sitzen würde, deutet auf große Naivität hin - oder auf den Wunsch nach Eskalation.
Es ist Letzteres. Brown und sein Außenminister David Miliband müssen in den ersten hundert Tagen ihrer Amtszeit ein Feuerwerk an Initiativen entzünden, um den Anbruch einer neuen Ära nach Tony Blair zu signalisieren. Doch die Ausweisung von Diplomaten ist ein stumpfes Instrument.
Die Alternative, von Russland angedeutet, wäre, Lugowoi gegen den in London lebenden russischen Dissidenten Boris Beresowski auszutauschen, der wegen Geldwäsche angeklagt ist und die russische Regierung gewaltsam stürzen will. Doch das lehnt Großbritannien mit dem Argument ab, Beresowski habe in Moskau keinen fairen Prozess zu erwarten. Das ist sicher richtig. Aber gäbe es für Lugowoi in Großbritannien einen fairen Prozess? Schließlich wimmelt es in der jüngeren britischen Geschichte nur so von Fehlurteilen. Man denke nur an die Fälle angeblicher IRA-Terroristen oder an den Libyer, der wegen des Lockerbie-Attentats verurteilt wurde: Das waren politische Urteile, keine Justizirrtümer.
Beim Litvinenko-Mord geht es überdies um das trübe Geschäft der Spionage. Und da spielt Großbritannien kräftig mit. Niemand in London hat bisher bestritten, dass Lugowoi, Litvinenko und Beresowski als Agenten angeworben werden sollten. Solange sich das Agentenkarussell weiterdreht, werden solch hinterhältige Morde passieren. Daran wird auch die Ausweisung von Diplomaten wenig ändern.
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