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KommentarDer Preis der Sicherheit

Ralf Sotscheck
Kommentar von Ralf Sotscheck

Untersuchungen über das Verhalten britischer Sicherheitskröfte sind nur bei unwichtigen Teilaspekten kritisch. Entscheidende Fragen werden erst gar nicht gestellt.

E s ist immer dasselbe mit Untersuchungen über das Verhalten britischer Sicherheitskräfte: Sie sind bei unwichtigen Teilaspekten etwas kritisch, aber an grundlegenden Prinzipien wird nicht gerüttelt. So auch diesmal. Andy Hayman, der Chef der Londoner Anti-Terror-Polizeieinheit, soll diszipliniert werden, weil er Informationen über die Erschießung des 27-jährigen Jean Charles de Menezes im Juli 2005 zurückgehalten hat. Der brasilianische Elektriker war einen Tag nach den fehlgeschlagenen Attentaten in London im U-Bahnhof Stockwell durch sieben Kopfschüsse getötet worden, weil man ihn für einen Selbstmordattentäter hielt.

Bild: taz

Ralf Sotscheck, 53, berichtet seit 22 Jahren für die taz aus Dublin.

Zuerst hieß es, de Menezes sei ein Terrorist gewesen, dann soll er ein Vergewaltiger oder doch wenigstens ein illegaler Einwanderer gewesen sein. Hayman ließ nicht nur die Öffentlichkeit in diesem Glauben, sondern auch seinen Polizeichef Ian Blair. Der wusste angeblich noch ein Dreivierteljahr später nicht, dass er belogen worden war. Wie kann man einer solchen Organisation beim Kampf gegen den Terrorismus trauen? Ausgerechnet diese Polizeibehörde muss nun entscheiden, ob gegen Hayman ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird. Es ist dieselbe Polizei, die Lana Vandenberghe von der unabhängigen Beschwerdestelle der Polizei monatelang schikaniert hat, weil sie einem Fernsehsender die Wahrheit über den Tod von de Menezes verraten hatte. Sie wurde verhaftet und suspendiert, ihre Wohnung wurde durchsucht, ihre Vermieterin, eine Kollegin, warf sie aus der Wohnung. Das war jedoch nicht Gegenstand der Untersuchung, ebenso wenig wie die Ereignisse an jenem 22. Juli 2005 im U-Bahnhof Stockwell. Von einer Panikreaktion der Polizei kann keine Rede sein. Die Beamten waren de Menezes 35 Minuten lang gefolgt, bevor sie ihn erschossen. Er hatte sich völlig unverdächtig verhalten.

Auch nicht untersucht wurde die heimliche Anordnung des gezielten Todesschusses bei mutmaßlichen Terroristen, die 2003 erlassen wurde - ohne Konsultation des Parlaments. Unterschwellig heißt das, dies sei der Preis, den man für die Sicherheit zahlen müsse.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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1 Kommentar

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  • RE
    Ralf Emme

    Es bleibt die Frage offen ob die versehentliche Erschießung eines Unschuldigen in Zukunft als "unvermeidlicher Kollateralschaden" im Kampf gegen den internationalen Terrorismus gewertet werden wird, oder als eine katastrophale Polizeipanne. Für mich zeigt dieser Fall nur eines: Das die gezielte Tötung von Menschen kein präventives Mittel zur Terrorbekämpfung sein sollte. Dieser Fall sollte ein warnendes Beispiel sein für Die, die solches hierzulande befürworten. Was die nachträglichen Vertuschungsversuche und den nachträglichen "Rufmord" des Opfers angeht ist dies ein weiteres Exempel dafür, wie schnell das Bestreben nach mehr Sicherheit zur bloßen Polizeiwillkür mutieren kann.