piwik no script img

KommentarGescheiterter Zivilisationsversuch

Kommentar von Gabriele Lesser

Noch hält Polens Demokratie die absurde Regierungsführung von Premier Kaczynski aus.

P olens junge Demokratie ist mit der nationalkonservativen "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) in ihre bislang schlimmste Krise geschlittert. Warum die PiS ihr Wahlversprechen nicht einlöste und nach ihrem Wahlsieg 2005 eine Koalition mit der liberalen Bürgerplattform (PO) einging, bleibt ihr Geheimnis. Die Koalition mit den Radikalen jedenfalls war ein Fehler. Anstatt die rechtsradikale Liga der polnischen Familien (LPR) und die linkspopulistische Bauernpartei Samoobrona zu zivilisieren, ist die PiS verroht und zu einer Gefahr für den in Polen sich etablierenden Rechtsstaat geworden.

Wie lange hält Polens Demokratie diese Regierung noch aus? Noch funktioniert das Verfassungsgericht, obwohl die Richter massivem politischen Druck ausgesetzt sind. Noch urteilen die Gerichte nach Recht und Gesetz, obwohl Premier Kaczynski sich politische Richter wünscht, die die "Staatsräson" über das Recht stellen. Noch gibt es private Medien, die kritisch über die Regierung und ihr Politik berichten, doch sie stöhnen unter der Flut an Klagen und Schadenersatzforderungen.

Den Kampf gegen die Korruption hatten sich die Kaczynskis vorgenommen. Erfolge haben sie bis heute kaum aufzuweisen. Im Gegenteil. Das Zentrale Antikorruptionsbüro (CBA) inszenierte eine Korruptionsaffäre, um den Samoobrona-Vorsitzenden und stellvertretenden Premier Polens Andrzej Lepper auf frischer Tat zu ertappen und medienwirksam verhaften zu können. Doch die Falle schnappte nicht zu. Und obwohl es in diesem konkreten Fall keine Beweise gegen Lepper gibt, feuerte Kaczynski seinen Stellvertreter und provozierte damit die derzeitige Regierungskrise. Das CBA untersteht nicht der Kontrolle des Parlaments, sondern direkt dem Premierminister. Der Verdacht liegt nahe, dass Kaczynski die 500 Mann starke Behörde mit weitgehenden Polizei- und Geheimdienstvollmachten für eigene, undurchsichtige Zwecke missbraucht.

Noch hat Polens junge Demokratie genügend Selbstheilungskräfte. Doch wenn bei den nächsten Wahlen wieder die PiS an die Macht kommt, wird dies ein Desaster.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Auslandskorrespondentin Polen
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!