Kommentar: Falle Juniorpartner
Egal was die SPD in der Großen Koalition aushandelt, am Ende geht es zu ihren Lasten. Die Sozialdemokraten können einem Leid tun.
Ralph Bollmann ist Ressortleiter Inland.
Die SPD kann einem wahrlich leidtun. Wie sie sich in der großen Koalition auch verhält, am Ende geht es immer zu ihrem Nachteil aus. Vor der Sommerpause übte die Partei den begrenzten Konflikt, meuterte bei Onlinedurchsuchung und Mindestlohn. Das Ergebnis: Die Umfragewerte wurden immer schlechter. In jüngster Zeit demonstriert die SPD wieder koalitionäre Harmonie. Doch das Ergebnis bleibt das gleiche: Die Umfragewerte kommen, bis jetzt jedenfalls, über ihren historischen Tiefstand kaum hinaus.
Die große Koalition ist für die SPD als Juniorpartner ein Gefängnis - sie muss nicht nur den aktuellen Koalitionspartner Union ins Kalkül ziehen, sondern aufpassen, die Politik der eigenen Regierungszeit nicht zu dementieren. Wenn die SPD sich bei Sachthemen nicht durchsetzen kann, steht sie als Verlierer da. Aber selbst wenn sie einmal gewinnt, hilft ihr das wenig. Dann heimst die Kanzlerin den Beifall ein, und die Sozialdemokraten haben für den Wahlkampf ein Thema weniger.
Das gilt umso mehr, als die Union die SPD gerade bei vielen Themen links zu überholen scheint. Die Kanzlerin macht die Klimapolitik zur Chefsache, und die CDU-Familienministerin baut die Kinderkrippen aus, während die SPD-Spitze die Rente mit 67 durchsetzt und um Mehrheiten für Auslandseinsätze ringt. Auch hier sind die Sozialdemokraten die Verlierer. Sie können Merkels Politik schlecht mit Argumenten von rechts bekämpfen, sie können sie aber auch nicht links überholen, ohne unglaubwürdig zu werden - was gegen eine differenzierte Bestandsaufnahme der Agendapolitik allerdings nicht spräche.
Parteichef Kurt Beck sucht dem Dilemma zu entfliehen, indem er statt linker oder rechter lieber gänzlich unsinnige Ideen verbreitet. Die NPD per Abstimmung auf dem SPD-Parteitag verbieten, weil es vor dem Verfassungsgericht nicht klappt? Bei solchen Vorschlägen kommt Mitleid auf. Dazu besteht aber kein Anlass. Nicht nur weil sich die SPD mit Schröders Neuwahl-Coup selbst in die missliche Lage gebracht hat. Sondern auch weil eine Kanzlerin mit derart guten Umfragewerten in der Mitte der Legislatur nach aller Erfahrung bei den nächsten Wahlen schlechter dastehen wird.
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