Kommentar: Machtlos gegen Kamikaze-Zocker
Der Fall Sachsen-LB offenbart die Krise der deutschen Finanzaufsicht: Regulierung ist kein Job für verschlafene Bürokraten, sondern für scharfe Hunde.
D as Geschäft mit Ramschkrediten in den USA hat auch die Gier deutscher Banker geweckt. Doch wie bereits bei der vorausgegangenen Beinahepleite der Industriebank IKB gibt es beim Notverkauf der Sachsen LB einen weiteren Schuldigen: Es sind die zuständigen Aufsichtsorgane. Sie haben bei ihrer Aufgabe, die hochriskanten Geschäfte der Banken rechtzeitig zu stoppen, versagt. Ein Grund dafür ist, dass sie den Finanzsektor in Deutschland zu lasch und zu ineffizient kontrollieren.
Einmal mehr gerät die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) in Erklärungsnot. Denn die Bafin war bereits seit über zwei Jahren detailliert über die Kamikaze-Geschäfte der Sachsen LB informiert, wie der Spiegel berichtet. Unternommen hat sie trotzdem nichts.
Es ist nicht das erste Versagen der Finanzaufsicht unter Führung von Jochen Sanio. Schon im Frühjahr hatte die Bafin die Kursmanipulationen bei der WestLB verschlafen, obwohl sie Wochen vorher durch Insider gewarnt worden war. Dass Kompetenzwirrwarr und Mangel an Sanktionsmöglichkeiten die Behörde zu einem zahnlosen Tiger machen würden, war schon bei deren Gründung vor fünf Jahren absehbar. Dabei sollten es die 1.600 Bafin-Beamten dem Vorbild der US-Börsenaufsicht SEC gleichtun, vor der selbst mächtige Unternehmensbosse weiche Knie bekommen.
Der Bafin gelingt das kaum. Rund 10.000 Finanzdienstleister soll sie beaufsichtigten. Doch im Gegensatz zur SEC darf die Bafin in Verdachtsfällen weder Akten beschlagnahmen noch Zeugen gegen deren Willen verhören. Ebenfalls darf sie nicht gegen den milliardenschweren grauen Kapitalmarkt ermitteln, wo dubiose Bauherrenmodelle oder Firmenbeteiligungen vertrieben werden.
Auch die Bankenaufsicht muss sie sich mit der Bundesbank teilen, doch die Details sind nur ungenau geregelt. Entsprechend sieht die Erfolgsbilanz der Bafin aus: Gerade mal sechzig Untersuchungen leitete sie im vergangenen Jahr ein; ganze zehn davon führten am Ende zu relativ harmlose Strafen. Sie selbst kann bestenfalls Bußgelder verhängen oder ihre Erkenntnisse an die Staatsanwaltschaft weitergeben.
Regulierung ist aber kein Job für verschlafene Bürokraten, sondern für scharfe Hunde. Es reicht nicht, Aufsichtsaufgaben einfach nur zu verteilen. Die Kontrolle muss auch gut organisiert und mit schmerzhaften Sanktionsmitteln für Marktteilnehmer ausgestattet sein. Denn ein gesunder Markt braucht eine starke Aufsicht, die bei Krisen am Finanzmarkt rechtzeitig einschreitet. Noch besser wäre es, wenn allein schon die Furcht vor der Aufsichtsbehörde verantwortungslose Zocker von ihrem Tun abschrecken würde.
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