Kommentar: Pflüger. Will. Leichte Gegner
Und wieder mal entpuppt sich Friedberg Pflüger als politisches Leichtgewicht.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Friedbert Pflüger und die Redaktion der ARD-Talkshow "Anne Will" streiten sich über die Berichterstattung zum rot-roten Senat. Pflüger wirft der Moderatorin Anne Will in einem Brief Fehlinformation und politisch einseitige Berichterstattung vor und fordert, die Talkshow abzusetzen. Die Redaktion von "Anne Will" wies die Vorwürfe gestern zurück. Pflüger schrieb, der Einstieg in die Sendung am vergangenen Sonntag über den Senat und den Schuldenstand Berlins habe auf "Falschinformationen bzw. Unwahrheiten" beruht. Dem Zuschauer sei vermittelt worden, Berlin habe zum Ende der CDU-geführten großen Koalition im Jahr 2001 bereits 60 Milliarden Euro Schulden gehabt. Dabei hätten die Schulden damals 38 Milliarden Euro betragen und seien erst unter SPD und Linke auf aktuell 60 Milliarden Euro gewachsen. "Das ist Ideologie und Liebedienerei." Auch andere Beiträge in der Sendung hätten "für eine politische Richtung" geworben, "anstatt zu informieren". dpa
Friedbert Pflüger hat ein Problem. Das ist Rot-Rot und sitzt im Senat. Zuletzt versuchte der CDU-Fraktionschef ganz Berlin für den Flughafen Tempelhof und damit gegen Klaus Wowereit und seine Truppe zu mobilisieren. Ohne Erfolg. Am Regierenden Bürgermeister beißt Pflüger sich die Zähne aus. Jetzt sucht er sich einen leichteren Gegner: Anne Will.
Die ARD-Moderatorin steht schon seit Wochen wegen Harmlosigkeit in der Kritik. Die Debatte ist längst ausgelutscht - da traut sich selbst der zahnlose Pflüger mitzumischen.
Denn Will hat sich beim Polittalk am Sonntag einen echten Skandal geleistet. Zumindest in den Augen eines glücklosen Christdemokraten. Zum einen hat sie behauptet, Wowereit wisse, wie man mit der Linkspartei erfolgreich Politik mache. Zum anderen konnten ihre Zuschauer erfahren, dass Rot-Rot 2001 rund 60 Milliarden Schulden von der schwarz-roten Koalition übernommen habe.
Über Ersteres kann man wohlfeil am Stammtisch streiten. Und Letzteres ist, wie Pflüger kritisiert, tatsächlich falsch. Im Jahr 2001 verzeichnete das Land lediglich 38 Milliarden Euro Schulden. Doch für diesen Schuldenberg wurden seither Jahr für Jahr Milliarden an Zinsen fällig. Hätte die SPD nicht vor sieben Jahren die CDU aus dem Senat gejagt und seither zusammen mit den Sozialisten einen rigiden Sparkurs durchgesetzt, stünde das Land heute mit weit mehr als 60 Milliarden in der Kreide.
Das muss Pflüger nicht wissen. Er hat sich erst vor zwei Jahren in die Niederungen der Landespolitik herabgelassen. Doch ohne dieses Wissen entpuppt sich Pflüger erneut als das, was er für Wowereit seit langem ist: ein leichter Gegner, der mal wieder heftig zappelt, damit er noch wahrgenommen wird.
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