Kommentar: Kiosk mit Mehrwert
Statt eines Alkoholverbots und Polizeipräsenz kann ein Kioskverkäufer des Vertrauens durchaus wichtige Dienste für die Nachbarschaft ausüben.
Auf den ersten Blick macht einen die Sache skeptisch. Ein Kioskbetreiber soll jetzt im Wedding erreichen, was ein Alkoholverbot nicht geschafft hat: vernünftige Zustände auf einem öffentlichen Platz, wo Anwohner über Müll, pöbelnde Zecher und Pinkeln am Kita-Zaun klagen. Diese Idee aus dem Bezirksamt Mitte scheint den Bock zum Gärtner zu machen. Immerhin wäre es ja der Trinkhallenchef, der seine Klientel mit dem Stoff versorgt, den sie bislang im Supermarkt kauft.
Es wäre auch ein neues Beispiel für Outsourcing von öffentlicher Verantwortung - der Kioskmann als nebenamtlicher Sozialarbeiter. Klingt nach Frisörladen, der nebenher anstelle der Postfiliale Pakete annimmt.
Aber was wäre so schlecht daran, nachdem ein Alkoholverbot nicht durchsetzbar ist? Als Alternative bliebe neben nicht durchzuhaltender Polizeipräsenz bloß, ganztägig einen Sozialarbeiter auf den Platz zu beordern. Da stellt sich wirklich die Frage, ob es nicht nur billiger ist, sondern auch mehr bringt, einen Kiosk mit Klo zu genehmigen und den Betreiber einzubinden.
Denn der hat zwangsläufig über jeden einzelnen Flaschenverkauf zu seiner Kundschaft ein gewisses Vertrauensverhältnis, das sich andere erst mühsam erarbeiten müssten. Der Mann hinter dem Tresen wird kein Pädagogikdiplom haben, und viel wird davon abhängen, was für ein Typ Mensch die Kiosklizenz bekommt. Aber wenn der es schafft, seine Kundschaft zum Pinkeln vom Kita-Zaun weg in seine Toilette zu lotsen, ist mit wenig Aufwand schon viel für die Nachbarschaft erreicht.
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