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KommentarEine Debatte reicht nicht aus

Kommentar von Svenja Bergt

Um rechtsextremen Tendenzen entgegen zu treten, braucht es etwas, das in der Politik selten ist: langer Atem.

F ür unvorbereitete Passanten muss der Anblick noch erschreckender gewesen sein als für die Gegendemonstranten: 750 Neonazis in martialischer Aufmachung, ziehen mitten durch Berlin. Eine derartige Größenordnung gab es nicht mehr seit 2005. Und damals entschied die Polizei, dass zu viele Gegendemonstranten vor Ort waren, um den Rechtsextremisten den Weg frei zu räumen.

Jetzt ist mehr als eine politische Debatte darüber nötig, ob die rechtsextreme Szene am Erstarken ist. Denn diese Debatten enden meist in der Forderung nach einem Verbot des politischen Armes der Neonazis, der NPD. Ansonsten bleiben sie folgenlos. Um rechtsextremen Tendenzen entgegen zu treten, braucht es aber etwas, das in der Politik selten ist: langer Atem. Denn die einzig wirksamen Maßnahmen kosten Geld, wirken nur langfristig und ihre Erfolge sind kaum direkt messbar und nicht öffentlichkeitswirksam auszuschlachten.

Daher klagen politische Bildungsarbeit und Projekte gegen Rechts seit Jahren über fehlende Kontinuität in der Finanzierung, die oft projektbezogen ist: Sind endlich Strukturen geschaffen, Mitarbeiter geschult und Kontakte geknüpft, läuft die Finanzierung aus. Und die nächste Initiative muss wieder ganz von vorne anfangen. Dabei können kleine Schritte Großes bewirken: Aussteigern bei der Eingliederung in nicht-rechtsextreme Strukturen helfen, Kinder und Jugendliche mit Wissen gegen rechte Schulhof-CDs stark machen und dafür werben, dass es sich lohnt, gegen rechte Meinungen auf die Straße zu gehen. Damit, wenn es ein nächstes Mal gibt, die Gegendemonstranten in der Überzahl sind.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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4 Kommentare

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  • H
    Horst

    Sehr geehrter Herr oder sehr geehrte Frau A. Stranz,

     

    143 seit 1990 durch Neonazis in Deutschland ermordete Menschen sind 143 "Totschlag"-Argumente gegen Ihren Blödsinn!

  • RW
    ralf wünsche

    was soll eine solcher kommentar? das problem fängt nicht bei einer npd an , sondern die fängt in der mitte einer deutschen gesellschaft an.

    also bei den " sarrazins " und " buschkowskys " welche im meanstream schon infamen rassismus verbürgerlichen und in die mitte tragen , bzw. deren haltungen spiegeln.

    bei diesem umzug in berlin handelt sich im grunde genommen um eine randerscheinung.

     

    um die haltung der bürgerlichen mitte und deren äusserungen zur mirgation + unterschicht sollte man sich kümmern und nicht um splitter !

  • AS
    A. Stranz

    Svenja Bergt vertritt eine interessante Sichtweise.

     

    In Zeiten, wo Nacht für Nacht durch Linksextremisten Autos abgefackelt werden, in Zeiten, wo Linksextremisten keine Hemmung haben, Flaschen und Steine auf politische Gegner zu werfen, in Zeiten, wo die SED-Nachfolger in Berlin und demnächst in Brandenburg an Landesregierungen beteiligt sind, macht sie sich besorgte Gedanken um 750 Neonazis und deren Umfeld.

     

    Svenja Bergt ignoriert, dass bereits jetzt Millionen Euro in den sog. "Kampf gegen Rechts" fließen und kein einziger Euro in den Kampf gegen Linksextremimus. Rechtsextremisten sind keinesfalls auf dem Weg, in die "Mitte" vorzudringen, sie stehen ausgegrenzt am Rand und werden da ewig verharren. Weder wird es jemals zu einer "Machtübernahme" oder zu einer Regierungsbeteiligung kommen. So viel Realismus muß schon sein. Und dies ist keinesfalls eine Verharmlosung. Wie weit links muß Svenja Bergt stehen, um eine solch einseitige, weltfremde Denkweise zu vertreten, wie sie aus ihrem Beitrag hervorschimmert? Vermutlich gilt aus ihrer Perspektive ein CDU Politiker wie R. Juhnke bereits als verdächtig.

  • B
    Bürger

    Also mich ärgern nicht die Nazis sondern der politische Straßenpöbel überhaupt.

     

    So werden "Normalos" von der Nazi Demo auch nicht mehr erschreckt gewesen sein wie von einem ANTIFA Aufzug.