Kommentar: SPD lässt die Hosen runter
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gilt nicht nur für Lidl-Kassiererinnen, sondern auch für Sexverkäuferinnen und deren Kunden.
Prostitution rund um die Potsdamer Straße gibt es schon seit 100 Jahren. Selbst wenn man es wollte, man wird sie nicht wegbekommen. So viel vorab. Seit Südosteuropa 2007 der EU beitrat, ist der Konkurrenzkampf um die Freier aggressiver geworden. Die Anwohner sind davon genervt. Aufgabe der Politik ist es zu verhindern, dass Familien in Scharen wegziehen und der Kiez kippt. Und es wird etwas getan: Nicht umsonst gibt es Arbeitsgruppen von Quartiersmanagern, Bezirksamt, Anwohnern und Polizisten, um die Auswüchse der Prostitution zu mindern.
Auch, dass das Verwaltungsgericht im Sommer entschieden hat, an der Potsdamer Straße dürfe kein Großbordell aufmachen, war ein wichtiges Signal in Richtung Wohnbevölkerung. Der Riesenpuff hätte noch mehr Rotlichtgewerbe angezogen. Die Entscheidung der Richter kam für viele überraschend.
Doch statt zufrieden zu sein, holt die SPD-Bezirksverordnete Margit Zauner nun den ganz großen Hammer raus. Die Freier sollen gefilmt und ihre Bilder ins Internet gestellt werden. Schon mal was von informationeller Selbstbestimmung gehört? Die gilt nicht nur für Lidl-Kassiererinnen, sondern auch für Sexverkäuferinnen und deren Kunden. In den USA werden entlassene Sexualtäter im Netz geoutet. Die Folge ist, dass sie sich aus Angst vor dem Volkszorn nirgendwo mehr anzusiedeln trauen. Frau Zauner setzt auf die Angst vor den Ehefrauen. Armes Deutschland, arme SPD.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Problematischer Vorstoß der CDU
Stigma statt Sicherheit
Kleinparteien vor der Bundestagswahl
Volt setzt auf die U30
Musks AfD-Wahlempfehlung in der „Welt“
Rocky Horror Springer Show
Willkommenskultur in Deutschland
Gekommen, um zu bleiben?
Reichtum in Deutschland
Geldvermögen auf 9,3 Billionen Euro gestiegen
Silvester in Berlin
Kein Ärger in Verbotszonen