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KommentarMißgriff und Irrtum

■ Die Bündnisgrünen korrigieren ihr Wahlprogramm ein bißchen

Ach, dieses Getöse. Lernen's die Grünen denn nie? Weniger wäre mehr gewesen. Mit einer Pressekonferenz in der Bonner Beethovenhalle, auf der sich Partei- und Fraktionsspitze feierlich versammeln, läßt sich ein Wahlsieg würdigen. So verkündet man keine Kurskorrektur. Die CDU hat gerade vorgemacht, wie so etwas geht. Betont nüchtern stellte Fraktionschef Schäuble den Entwurf des Wahlprogramms in der Zentrale vor. Gejubelt werden kann dann auf dem Parteitag.

Vom grünen Länderrat im Juni sollte neuer Schwung ausgehen. Nun dürfen die Delegierten dort nicht mehr tun, als das Kurzprogramm brav abzusegnen. Eine strahlende, kraftvolle Veranstaltung kann das kaum noch werden. Die würde aber dringend gebraucht. Umfragen sehen die Partei inzwischen bei fünf Prozent.

Der Mißgriff in der Form entspricht einem Irrtum in der Sache. Die Grünen verwechseln Schadensbegrenzung mit Zugewinn an Attraktivität. Dafür braucht es aber mehr als nur das Eingeständnis, mit dem Benzinpreis das „falsche Symbol“ vermittelt zu haben. Eine Partei wird nicht gewählt, weil sie die Wähler nicht allzu heftig erschreckt, sondern weil sie mit eigenen Konzepten überzeugt.

Die Selbstkasteiung der Grünen hat in Vergessenheit geraten lassen, daß sie in zentralen Fragen eigene Reformvorschläge erarbeitet haben. Die eigene Stärke herauszustellen wäre nun weit dringlicher gewesen als die Korrektur eines umstrittenen Beschlusses. Doch das ist gestern nicht geschehen.

Beschlüsse bleiben im öffentlichen Bewußtsein immer nur in ihrem zugespitzten Kern haften. Diesen Kern gibt es nicht mehr. Das Kurzprogramm hat wichtige Ziele bis zur Unverbindlichkeit verwässert. Die Grünen wollen sich nicht mehr festnageln lassen. Aber wer regieren will, kommt um eine Festlegung nicht herum. Es dient dem Profil auch nicht, wenn Spitzenpolitiker jetzt betonen, das Kurzprogramm revidiere keinen Parteitagsbeschluß. Filigran analysiert ist das zwar richtig. Aber Textexegese sollte keine Partei ihren Wählern zumuten. Langfristig bleibe das Magdeburger Programm verbindlich, hat Joschka Fischer gestern gesagt. Für die nächsten vier Jahre gebe es den neuen Vorschlag. Und dann fügte er an einen Journalisten gewandt hinzu: „Jetzt müssen Sie sich entscheiden.“ Wieso? Die Grünen müssen sich entscheiden. Bettina Gaus

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