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■ KommentarGrundrecht à la Schönbohm

Der Spruch des Verwaltungsgerichts am Abend vor dem öffentlichen Bundeswehrgelöbnis war eindeutig. Die Bundeswehr könne nicht beanspruchen, ihr Gelöbnis vor einem „ihr wohlgesonnenen oder wenigstens meinungsindifferenten Publikum durchzuführen“ und müsse „kritische Äußerungen der Zuschauer ertragen“. Gehalten hat sich die Polizei daran nicht. Erst wurden Auflagen diktiert, dann den Gelöbnisgegnern kurzerhand die elektrischen Leitungen gekappt. Rabiat wurde damit die Gegenveranstaltung beendet – ohne das es den Veranstaltern möglich war, die Demonstration ordnungsgemäß für beendet zu erklären.

Doch der Verfassungssenator Schönbohm überrascht immer wieder mit eigenwilliger Auslegung des grundgesetzlich geschützten Demonstrationsrechts. Bei Aufzügen von rechtsextremen Parteien hält Schönbohm – wie erst gestern bezüglich eines NPD-Marsches am 20. Juni – ein Verbot für nicht durchsetzbar, im Zusammenhang mit dem 1. Mai dagegen für durchaus bedenkenswert. Auch Gerichtsurteile werden von Jörg Schönbohm nur unter dem Blickwinkel der eigenen Interessenlage betrachtet. Der Innensenator verfolgt beharrlich eine Strategie, durch den Einsatz der Polizei aus Unrecht ein faktisches Recht zu machen.

Daß er dabei das Grundgesetz zum Selbstbedienungsladen macht, scheint dem Innensenator kein Problem zu sein. Schönbohm weiß die Zeit auf seiner Seite. In ein oder zwei Jahren wird ein Gericht feststellen, daß die abrupte Beendigung der Gelöbnix-Demonstration rechtswidrig war. Bis dahin, so ist zu fürchten, hat die Polizei auf Befehl von Schönbohm das Demonstrationsrecht längst an anderer Stelle wieder ausgehebelt. Gerd Nowakowski

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