■ Kommentar: Geschickter Igel
Die Haase-Debatte droht sich im Unterholz der Geschäftsordnung zu verlieren. Darf man durch einen Zählappell feststellen, so zweifelt mancher Volksvertreter, daß Herwig Haase das Vertrauen des Hohen Hauses nicht mehr genießt? Freilich, ein öffentlich zelebriertes Stimmungsbarometer der Unfähigkeit ist kein Zuckerschlecken. Selbst Haases betonähnliches Sitzfleisch wird das zerbröseln. Aber in seinem Fall stellt der laut Geschäftsordnung gar nicht vorgesehene Appell auch einen Lackmustest für etwas dar, was alle wissen: Das Abgeordnetenhaus von Berlin will einen anderen Präsidenten. Und das mit Recht. Wer am Tag von Auschwitz Täter und Opfer verwechselt und den Neofaschisten Fini wie einen Staatsmann empfangen will, hat auf dem Präsidentenstuhl nichts verloren.
Daß es ein Absetzungsverfahren gegen den Präsidenten nicht gibt, hat gute Gründe. Man denke nur an eine pöbelnde Rep- Fraktion, die Präsident und Parlament mit dauernden Rücktrittsgesuchen malträtiert. Die sich nun abzeichnende Debatte will zum einen das Ansinnen der Bündnisgrünen gänzlich abwenden. Zum anderen mäkelt gerade die ewig unentschlossene SPD am schlechten Stil der Igelpartei herum. Das ist nun völlig daneben. Denn die Igel sind mit ihrer auszählbaren Rücktrittsempfehlung eleganter im Haasenrennen, als man es den ehemaligen Schmuddelkindern des Abgeordnetenhauses zugetraut hätte. Der moralische Appell an Haase beläßt dem Präsidenten seine letzte politische Würde: selbst die Konsequenzen aus seinem Pannenvorsitz zu ziehen. Und er vermeidet die offenbaren Nachteile eines Mißtrauensvotums. Christian Füller
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