■ Kommentar: Doppelt geschadet
Irgendwelche Lamentos, die Jugend sei politikverdrossen, mögen wir uns nicht mehr anhören. Das jüngste Lehrstück an jugendverachtender „Sparpolitik“ ist zu dreist. Jugendsenatorin Ingrid Stahmer (SPD), die vor kurzem noch als Spitzenkandidatin um die Gunst der Jugendlichen warb, hat ihren Kredit verspielt. Als Toppolitikerin sowieso, nun aber ist sie drauf und dran, ihre Herkunft als Sozialstadträtin zu leugnen. Was ist geschehen? Berlin, das gern soziale Avantgarde markiert, stellte vor einem guten Jahr seine Jugendarbeit auf ein solides Fundament. So schien es. Doch die bundesweit einmalige Verpflichtung, ein Zehntel des Jugendhilfeetats nicht mehr bloß für Pflasterkleben auszugeben, sondern in die bildungsorientierte Arbeit mit Jugendlichen zu stecken, war nichts wert. Mit 130 Millionen Mark blieb das Land unter dem selbstgesetzten Ziel.
Die Argumentation aber, mit der ein gesetzlich verbriefter Anspruch ins Reich der Fabel verwiesen wird, raubt den Atem. Stahmers Verwaltung verhöhnt mit juristischer Sophistik einen der wichtigsten Maßstäbe der Demokratie: wie glaubwürdig Politik ist. Keine Sekunde denkt man daran, daß ein Gesetz einen Auftrag enthält. Können wir nicht bezahlen, lautet das Totschlagsargument. Egal, wie die Klage ausgehen mag, das Schulressort hat dem Land doppelt geschadet: Es hat die Jugendarbeit nicht gestärkt; und es hat den Jugendlichen wieder ein bißchen mehr an Vertrauen in die Politik geraubt. Christian Füller
siehe Bericht Seite 22
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