■ Kommentar: Unsozialer Status quo
Zielsicher will Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) ausgerechnet im zweiten Bildungsweg die Lernmittelfreiheit abschaffen. Wenn das Parlament nicht noch dazwischenfunkt, müssen Erwachsene, die ihren Schulabschluß nachholen, künftig sämtliche Schulbücher selbst bezahlen. Wieder einmal trifft es die sozial Schwächsten. Die Entscheidung ist um so absurder, als sie nur für die Schüler der Volkshochschulen, nicht aber der Abendgymnasien gilt. Diese willkürliche Ungleichbehandlung führt zu einem Zweiklassensystem im zweiten Bildungsweg. Bislang galten in der SPD jegliche Vorschläge zur Änderung der Lernmittelfreiheit als Angriff auf die Identität der Partei. Beim letzten SPD-Parteitag wurde der Vorstoß von Finanzsenatorin Fugmann-Heesing, Eltern je nach Einkommen für Schulbücher zur Kasse zu bitten, unter Unmutsbekundungen abgeschmettert. Nun muß man in Zeiten leerer Kassen durchaus darüber reden, ob Eltern nicht einen Teil der Lernmittel selbst zahlen sollen. Doch das Festhalten der SPD am Status quo verhindert eine gerechte Regelung: Die Lernmittelfreiheit ist längst ausgehöhlt. Je nach Bezirk müssen Eltern schon Zuzahlungen leisten – ohne Rücksicht auf ihr Einkommen. Mit einer sozial ausgewogenen Neuregelung aber könnten Sozialhilfeempfänger und Einkommensschwache ausgenommen werden. Dorothee Winden
Bericht Seite 26
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