■ Kommentar: Regiermeister a.D.
Nicht, daß der Regierende Bürgermeister keiner geregelten Beschäftigung nachginge. Kürzlich reiste er nach Japan, in der vergangenen Woche weilte er in Prag. Was die Berliner Politik aber angeht, scheint Eberhard Diepgen abgetaucht zu sein. Bei der Haushaltsklausur des Senats ließ er jede klare Orientierung vermissen. Das gleiche gilt für die Bezirksreform. Zwar bemühte sich der Regierende gestern, die widerspenstigen Fraktionen rechtzeitig von dem umstrittenen Bezirksneuschnitt zu informieren, ehe er damit an die Öffentlichkeit ging. Ob Diepgen damit verlorenes politisches Terrain zurückgewinnen kann, muß sich erst zeigen.
Denn der jetzige Plan zu einer kommunalpolitischen Neugliederung Berlins ist alles andere als perfekt. Die Gebietsreform kann verschiedene Wege gehen: Es kann administrativer Durchmarsch und freie Fahrt für die Bundesregierung im „Hauptstadtbezirk“ drohen oder die Umgestaltung von schwerfälligen Bürokratien zu bürgernahen Dienstleistungszentren bedeuten. Letzteres wäre ein Gewinn. Wenn nun von zu erhaltenden Bezirksidentitäten die Rede ist, sollte man genau schauen, wer dort jammert. Bezirksfürsten sind in dieser Frage nicht die besten Ratgeber. Zwölf Bezirke bedeuten eben auch nur zwölf Bürgermeister und zwölf Kreisvorsitzende.
Möglicherweise ist es aber für die Bezirksreform bereits fünf nach zwölf. Diepgen hat zugelassen, daß sich die CDU-Kommunalpolitiker bereits strikt gegen die Gebietsreform positionierten. Auch sein Fraktionsvorsitzender Rüdiger Landowsky fährt einen Verhinderungskurs. In der Vergangenheit hat Diepgen eine solche Situation immer zu verhindern gewußt. Eine derart verfestigte Stellung läßt sich wohl kaum dadurch aufweichen, daß man die Beteiligten frühzeitig informiert. Derzeit läßt Diepgen nicht erkennen, daß er noch Gespür für richtiges Timing und Kraft zur Gestaltung besitzt. Gerd Nowakowski
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