■ Kommentar: Genug gelitten
Nur um Haaresbreite entgingen 35 BewohnerInnen des Hauses im Theodor-Heuß-Ring der Katastrophe. Nur durch einen glücklichen Zufall gab es „nur“ 13 Verletzte und keine Toten.
Ohne Leiche keine Nachricht: Wer sich während der Weihnachtstage über den Kieler Brandanschlag auf den überwiegend von Flüchtlingen und MigrantInnen bewohnten Altbau informieren wollte, hatte es schwer. Norddeutsche Rundfunkstationen berichteten nur in knappen Worten über die Brandstiftung, nach wenigen Stunden wurden die Kurzmeldungen aus den Programmen gekippt. Wer in Tagesschau oder heute nach Hintergründen suchte, tat dies vergeblich.
Anschläge auf AusländerInnen gehören in der Bundesrepublik längst zur Tagesordnung, sie sind zu Randnotizen geworden. In Kiel droht sich fortzusetzen, was sich bei vielen Brandanschlägen vergangener Monate bereits zeigte: Die Suche nach den Verantwortlichen findet abseits öffentlichen Interesses statt, und allzu eilfertig werden die Brandleger zu Einzeltätern erklärt, deren Motive im Dunkeln bleiben, keinesfalls aber rassistischer Natur sind.
Nachdem die Anschläge in Mölln und Solingen, auch der Überfall in Rostock-Lichtenhagen noch weltweit als Signal dafür wahrgenommen wurden, daß in der Bundesrepublik aggressive Fremdenfeindlichkeit wieder Fuß faßt, wird das rassistische Unwesen heute totgeschwiegen. Deutschlands Ruf hat wahrlich genug gelitten – verschließen wir die Augen, solange nichts „Schlimmeres“ passiert.
Marco Carini
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