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■ KommentarVerweigerter Dialog

Wie sich die Zeiten ändern! Als kürzlich Migrantenorganisationen gegen das Kindervisum protestierten, waren die deutschen Medien auf Zack. Ausführlich berichteten sie über die 1.000köpfige Menschenkette rund um das Rote Rathaus. Das war nicht immer so. Als vor sieben Jahren einige tausend Türken gegen das damals neue Ausländergesetz durch die Berliner Straßen zogen, war das der Abendschau des SFB keinen Beitrag wert. „Die deutschen Medien nehmen unsere Anliegen nicht ernst“, empörten sich die Sprecher der Einwanderer.

Die Zeiten haben sich geändert, ebenso die Berichterstattung. Von BZ bis taz informieren die Zeitungen ihre Leser heute umfangreicher über das Leben und die Anliegen der ImmigrantInnen. Und je mehr Augenmerk Journalisten dem Alltags- und Verbandsleben der Einwanderer widmen, um so kompetenter, hintergründiger und komplexer wird die Berichterstattung. Es kehrt Normalität in den journalistischen Alltag ein.

Deutsche Journalisten machen bei ihrer Beschäftigung mit Migrantenorganisationen nun auch das, was bei der Berichterstattung selbstverständlich sein sollte: Sie fragen nach, decken Skandale auf, benennen Widersprüche und kommentieren die Ereignisse. Das stößt bei den türkischen Interessensverbänden auf wenig Gegenliebe. Sie trauern den Zeiten nach, als in der linksliberalen Presse noch der Stil der unreflektierten Hofberichterstattung gepflegt wurde. Anstatt sich einer kritischen Öffentlichkeit offensiv zu stellen, fürchtet man den Gesichtsverlust. So ist es heute schier unmöglich, die Vertreter der konkurrierenden Verbände auf einem Podium zu versammeln. Und noch weniger sind sie bereit, auf diesem ihre Differenzen zu diskutieren. Es bleibt der Eindruck, daß man die deutschsprachige Öffentlichkeit als feindlichen Block wahrnimmt, dem man nur Halb- und Viertelinformationen und -wahrheiten zukommen läßt. Von demokratischer Reife und Konfliktfähigkeit zeugt dies nicht. Eberhard Seidel-Pielen

Siehe Meldung auf dieser Seite. Der Autor ist taz-Redakteur und Moderator der gestrigen Veranstaltung

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