■ Kommentar: Wichtigste Kategorie: die weiße Hautfarbe
Wenn mich welche fragen, was ich bin, dann bekommen viele die Antwort zu hören: „ein Mensch“. Diese Antwort finden sie witzig und verlangen eine „richtige Antwort“. Ich muß sagen, daß ich keine richtige Antwort kenne. Sie erwarten immer Schubladenantworten, womit ich ihnen nicht behilflich sein kann.
Ich kann nicht sagen, daß ich deutsch bin. Auch wenn ich einen deutschen Paß habe und auch wenn die deutsche Sprache diejenige ist, mit der ich mich am besten ausdrücken kann, werde ich doch kaum als Deutsche in dieser Gesellschaft anerkannt. Ich glaube, da habe ich bessere Chancen, wenn ich mich als Ausländerin mit guten Deutschkenntnissen bezeichne. Die wichtigste Kategorie, so scheint es mir, ist die weiße Hautfarbe, mit der ich nicht dienen kann und werde, denn ich finde meine Hautfarbe schön, wie sie ist. Ich brauche nicht den ganzen Winter über ins Solarium zu gehen und mich den ganzen Sommer über in die Sonne knallen, wie es manche andere tun.
Ich finde es dennoch komisch, daß ich mich mit den Deutschen mehr identifizieren kann als mit den Tamilen. Bei den Deutschen gelte ich als ein freches Mädchen, wobei ich bei den Tamilien als ein schlechtes Mädchen gelte. Sie fällen so ein Urteil aus Gründen, die mir unverständlich sind. Sie empfinden es als schlecht, wenn ich als Mädchen gerne abends mit meinen Freunden herumhänge. Oder weil ich nicht einsehe, meinen Mund zu halten, wenn mir was nicht paßt. Oder aber auch, weil ich nicht im Traum daran denke, mich als Frau einem Mann unterzuordnen. Es gibt noch mehr Beispiele, aber ich denke, das reicht.
Es gibt für mich nur zwei oder drei Gründe, warum ich mich als tamilisch bezeichnen würde. Das ist erstens die Liebe zur Landschaft Sri Lankas, zweitens das tolle würzige tamilische Essen, drittens die schöne Musik, die mich an all das erinnert.
Ich fühle mich nicht deutsch, weil ich keinen Bezug zu diesem Land hier habe. Das gilt zum Beispiel für das Wetter: Ich laufe ungern mit Winterklamotten herum, aber ich bin mir ziemlich sicher, daß auch ein Deutscher von dem Wetter hier nicht gerade begeistert ist. Wenn ich mir vorstelle, wie viele Deutsche sich in ihrem Urlaub an wirklich sonnigen Plätzen der Erde aufhalten, denke ich, daß auch Deutsche keinen wirklichen Bezug zu Deutschland haben.
Wenn ich mich in der wundervollen Landschaft Sri Lankas befände, würde ich viele Dinge vermissen, an die ich mich gewöhnt habe. Dinge, die einfach zu Deutschland, beziehungsweise Berlin, gehören: Sprache, Anonymität, Currywurst ... all diese Dinge würde ich vermissen.
Es gibt zwei Gründe, die mich veranlassen würden, Berlin und somit Deutschland zu verlassen: einmal, wie schon erwähnt, das Wetter. Zweitens die wachsende intolerante Haltung mancher Deutscher. Ansonsten lebe ich gern in Berlin, denn es ist meine zweite Heimat geworden. Meera Tharmalingam
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