Kommentar: Unterwanderung
■ Wenn Türken wählen oder die Gnade der späten Erkenntnis bei der CDU
Die Zeiten werden für unsereins immer verwirrender. Selbst die CDU ist inzwischen von der real-existierenden multikulturellen Gesellschaft unterwandert. Das christdemokratische Bekenntnis zur „Pluralität“, zur Integration unter Beibehaltung der eigenen Identität, grenzt sich allenfalls noch in der Wortwahl von dem „Einwanderungsland Deutschland“ab. Dicke Bretter mußten über lange Jahre gebohrt werden, doch nun sehen auch die Konservativen, daß die „Gastarbeiter“aufgehört haben, Gäste zu sein und hier bleiben werden.
Für die Gnade der späten Erkenntnis gebührt der Hamburger CDU Anerkennung. Gleichwohl dürfen über die Gründe keine Illusionen aufkommen. Es geht um die Erschließung neuer WählerInnenschichten, so inkompatibel sie mit dem rechten Rand der CDU auch sein mögen. Verglichen mit der – ebenfalls in dieser Hinsicht nicht ganz uneigennützigen – SPD und den Grünen gilt es einiges aufzuholen. Immer mehr MigrantInnen lassen sich einbürgern, dürfen wählen und gewählt werden.
Ein besonders erbaulicher Gedanke ist es zwar nicht, daß vielleicht schon in der übernächsten Bürgerschaft CDUler türkischer Herkunft Abschiebung und Verschärfung der Aufenthaltsbestimmungen fordern. Es geht schließlich um Besitzstandswahrung der bereits etablierten MigrantInnen.
Doch das ebenso plötzlich wie heftig entflammte CDU-Interesse am „ausländischen Mitbürger“macht deutlich: Nicht demokratischer Idealismus ist der Motor für die Gleichstellung der hier lebenden Minderheiten. Sondern einzig Macht. Wählermacht. Silke Mertins
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