■ Kommentar: Treue stranguliert
Trotz der Tarifverträge am Bau zwischen Unternehmen und Gewerkschaften wird beim Lohn gewildert. Es wird gedrückt, was das Zeug hält. Subunternehmen arbeiteten mit „kriminellen Methoden“ und Lohndumping, um an Aufträge zu kommen, wie die Bundesarchitektenkammer beklagt. Erst gestern ermittelte die Polizei 55 ausländische Handwerker, die am Bau ohne gültige Arbeitspapiere eingestellt wurden. Wettbewerbsverzerrung bis zur Schmerzgrenze ist Realität.
Daß selbst der öffentliche Auftraggeber davor nicht haltmacht, beweist der Bund. Auf seinen Baustellen gilt „offiziell“ der tarifliche Mindestlohn – nicht aber die in Berlin übliche „Tariftreueregelung“. Wer die Arbeitskraft unter dem örtlichen Niveau anbietet, bleibt im Rennen. Außen vor sind die hiesigen Betriebe, die sich mit der Treue strangulieren. Es verwundert schon, daß selbst das Land die eigenen Ansprüche unterminiert, soll doch die Landesbank Berlin bei einem Wohnbauprojekt einer brandenburgischen Firma den Zuschlag gegeben haben, die weit unter der Tarifregelung Angebote eingereicht hat.
Das hat Methode: Die Gewerkschaften sollen in die Knie gezwungen werden. Die Klage der Betriebe, sie seien infolge der Tariftreue nicht wettbewerbsfähig gegenüber regionalen Anbietern und ausländischen Unternehmen, wird von Wirtschaftsliberalen ebenso wie von Pieroth instrumentalisiert. Denn für sie lautet die Rahmenbedingung für den wirtschaftlichen Aufschwung nicht politische Einflußnahme oder soziale Verantwortung, sondern „Amerikanisierung“: Jeder gegen jeden und das Kapital gegen alle. Rolf Lautenschläger
Siehe Bericht Seite 22
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