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■ KommentarDeutsche Wertarbeit

Das komplizierteste Bauprojekt ist für die neue Hauptstadt gerade gut genug. Seit Jahren überbieten sich Investoren und Ingenieure darin, eine gewagte Idee durch eine noch genialere zu überbieten. Da wird die Spree verlegt, Marmorsäle des ehemaligen Hotels Esplanade werden einpackt und auf Schienen ein paar Meter um die Ecke geschoben. Das Weinhaus Huth hängt an Stahlseilen, weil man darunter unbedingt noch ein zusätzliches Kellergeschoß braucht. Die Krönung ist aber der Tiergartentunnel, der zum Teil über der Erde, anstatt, wie weltweit allgemein üblich, im Boden gebaut wird. Völker der Welt, schaut auf diese Stadt – und kauft deutsche Ingenieurleistung!

Eine alte Weisheit aus dem Reich der Naturwissenschaften lautet: Alles, was schiefgehen kann, geht auch einmal schief. Folglich sind die Ausfälle bei gigantischen Experimenten besonders groß. Das passiert jetzt beim Tiergartentunnel. Der Wasserschaden wird Millionen kosten und die Fertigstellung des megalomanen Verkehrssystems verzögern. Man hätte auch alles ein bißchen kleiner haben können, denn modernisierungsfähige Bahnverbindungen in alle Richtungen gibt es schon genug.

Deutsche Arbeit – Wertarbeit. Obwohl der Tunnel nun abgesoffen ist, schwimmt auch die Gewerkschaft IG Bau auf dieser Welle mit. Nicht die gut bezahlten deutschen Spezialisten, sondern die billigen, unqualifizierten Tagelöhner aus südlichen Gefilden sollen schuld sein am Riß im Beton. Für ihre Behauptung konnten die Gewerkschafter gestern keinen Beweis liefern. Das dürfte auch schwierig werden, denn gerade auf der Tunnelbaustelle am Gleisdreieck sieht man kaum Ausländer. So berechtigt die Agitation gegen untertarifliche Billigarbeit sonst auch sein mag – an dieser Stelle hat sich die IG Bau mit ihrer chauvinistischen Schuldzuweisung gründlich vergriffen. Hannes Koch

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