Kommentar: Existenznot
■ Warum sich der Standort Hamburg nicht so prächtig erholt, wie die SPD meint
Die Trauergäste schicken fröhliche Aufmunterungen: Sicher, ein Unternehmen stirbt – dazu im sozial gebeutelten Steilshoop. Wer fühlte sich da nicht betroffen? Aber vielleicht findet man ja einen patenten Konkursverwalter.
Aufmunterndes Schulterklopfen und bedauerndes Schulterzucken, wo Wut hochkochen müßte wie heiße Milch: 540 SchlosserInnen, MechanikerInnen und MonteurInnen wurden wochenlang hingehalten mit dem Versprechen: „Bald werdet Ihr verkauft“– oder von Hamburgs Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus geschultert.
Statt zu toben, bleiben Hamburgs PolitikerInnen jedoch still. Wenn Ortmann+Herbst heute Konkurs anmeldet, wird nicht mehr als leises Bedauern zu hören sein. Denn der Wirtschaftsstandort Hamburg erholt sich prächtig. Das hat zumindest der künftige Bürgermeister Ortwin Runde jüngst verkündet. SPD und GAL wollen „Existenzgründungen und Innovationen“rot-grün fördern. Sollen 540 KunststoffschlosserInnen und FeinmechanikerInnen nun also ihre eigene Existenz gründen?
Wenn Hamburgs PolitikerInnen den wirtschaftlichen Aufschwung bejubeln, sind DreherInnen oder Schlosser nicht gemeint. Viele der 540 Ortmann+ Herbst-MitarbeiterInnen werden sich schwertun, eine neue Stelle zu finden. Aber in der Großindustrie werden eben Arbeitsplätze wegfallen – das gibt selbst Ortwin Runde zu. „Auffangen können wir nur im Dienstleistungssektor.“
Feinmechanikerinnen zu Zimmermädchen? Wohl kaum.
Judith Weber
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