■ Kommentar: Heuchelei gegrillt
Eine Grille ist – soziologisch betrachtet – so etwas wie ein Floh im Ohr. Den müssen SPD und CDU wohl gehabt haben, als sie das Grillverbot für den Tiergarten beschlossen haben. Sicher, wer wild in der Gegend herumbolzt, -radelt und -grillt, geht anderen auf die erholungssuchenden Nerven. Doch dafür gab es bisher auch immer Schranken. Worum es eigentlich geht, ist die Hauptstadtwerdung der Innenstadt. Das Grillverbot ist die logische Konsequenz aus Putzfimmel und Angst vor dem Volk. Wer eine Bannmeile fordert, der will im Hohen Haus auch nicht von Grilldünsten belästigt werden. Die Parlamentarier wissen nicht, was sie wollen: Wo sollen sich denn die „Urbaniten“ erholen: auf den öden Shoppingmeilen oder im menschenleeren Regierungsviertel? Alles klagt über die Flucht ins Umland, doch der größte innerstädtische Park wird unattraktiver gemacht. Ach so, schützen wollten SPD und CDU den Park? Das nun ist Heuchelei: Denn sie bleiben stumm, wenn es nicht gegen Türkengrills, sondern gegen das Big Business geht: Die Love Parade darf schließlich den Garten niederwalzen. Hauptsache, es wird dabei nicht gegrillt. Bernhard Pötter
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