■ Kommentar: Halbherzige Korrektur
Die krampfhafte Suche nach einem Leitbild, hieß es Ende 1997 beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), sei nur ein weiteres Symptom für die Krise Berlins. Diese war schon im vergangenen Jahr nicht mehr zu übersehen. Steigende Arbeitslosigkeit, Abwanderung, soziale und räumliche Segregation markierten das Gegenteil jener Bilder einer glänzenden Zukunft, wie sie von den professionellen Berlin-Werbern noch immer verkauft wurden.
Mit dieser Verdrängung soll nun offenbar Schluß sein. Wenn das Bild von der Wirklichkeit nicht mehr mit der Wirklichkeit selbst übereinstimmt, gibt sich Volker Hassemer ganz pragmatisch, muß das Bild eben der Wirklichkeit angeglichen werden. Da spielt es offenbar auch keine Rolle, daß es Hassemer selbst war, der in der Vergangenheit maßgeblich an den Hochglanzvisionen einer europäischen Metropole mitgewirkt hat. Der Schwenk in Richtung Wirklichkeit ist deshalb auch das — vielleicht zu späte — Eingeständnis einer falschen Politik, die man lange und wider besseren Wissens aufrechterhalten hat. Vor allem aber ist er halbherzig. Ganz und gar abwenden vom Spiel mit den Möglichkeiten der Metropolenzukunft will sich Hassemer jedoch noch immer nicht. Wer die Diskussion über die Stärken Berlins damit begründet, daß über die Probleme der Stadt hinreichend geredet wird, erkennt nicht, welchen heilsamen Schock gerade eine ehrliche Problemdebatte auslösen könnte. Dann würde man vielleicht sogar auf den Gedanken kommen, Politik wieder für jene zu machen, die hier sind, und weniger für die, die man sich gerne in der Stadt wünschte. Für eine tatsächliche Kurskorrektur aber braucht es wohl noch ein paar mehr Krisenmeldungen als die des Jahres 1997. Uwe Rada
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