Kommentar: Wenig hilfreich
■ Klonen: Die Debatte schwankt zwischen Hysterie und Bagatellisieren
Machen wir uns nichts vor. Schon bald wird es möglich sein, auch erwachsene Menschen zu klonen. Kürzlich erklärte der US-Physiker Seed, er wolle eine Klon-Klinik für Unfruchtbare eröffnen. Viele Wissenschaftler, wie der prominente Molekularbiologe Jens Reich, winkten ab. Die Debatte sei „hysterisch“, die „Klonierung bei erwachsenen Säugetieren nicht überzeugend nachgewiesen“. Überall zweifelte man an der Echtheit des Schafes „Dolly“. Auch das Medizinjournal The Lancet warnte vor übereilten Reaktionen.
Wie auf Bestellung erklären nun drei Forscherteams, daß es ihnen zumindest teilweise ebenfalls gelungen sei, erwachsene Tiere zu klonen. Auf texanischen Weiden grasen bereits zwei identische Klon-Kälber. Mag auch der ominöse Mr. Seed nicht ganz ernst zu nehmen sein, die Klon-Technik macht rasante Fortschritte. Und offenbar sind mehr Labors an dieser Technik interessiert als bislang vermutet. Wir sollten uns von Detailproblemen nicht blenden lassen. Das wären nicht die ersten schwierigen Probleme, die Wissenschaftler in den Griff bekamen.
Wieder einmal hängt die ethische Diskussion dem Fortschritt in den Laboren hinterher. Und es gibt keineswegs Einigkeit. Das macht die Äußerung des jüdischen Oberrabbinats vor dem Wissenschaftsausschuß der Knesset allzu deutlich, das Klonen von Menschen sei vereinbar mit dem jüdischen Glauben. Das Klonen ist keine aufwendige Technik, überall in der Welt finden sich geeignete Labors, etwa in Brasilien oder China.
Und doch wäre es falsch, das Klonen an sich zu verteufeln. Anders als viele gentechnische Verfahren, birgt das Klonen kein Risiko an sich. Die Aussetzung oder das Entweichen genmanipulierter Organismen aus dem Labor kann Tierarten aussterben lassen, Biosysteme zum Umkippen bringen. Oft sind die Folgen nur schwer abschätzbar. Durch Klonen werden lediglich vorhandene Organismen kopiert. Das ist freilich für Gentechniker sehr interessant, denn es geht viel schneller, ein genmanipuliertes Tier wie die Kälber „George“ und „Charlie“ zu kopieren, als es natürlich großzuziehen – eine Kuh kriegt nur ein Kalb pro Jahr.
Es ist wenig hilfreich, wenn sich mancher Forscher vor der Debatte ums Klonen eines Menschen drückt, mit dem Hinweis „alles Zukunftsmusik“. Jetzt muß debattiert werden, nicht hinterher.
Matthias Urbach Bericht Seite 2
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