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KommentarVorsicht, Camerer

■ Warum die Volkshochschule dabei ist, ihren Bildungsauftrag der Bilanz zu opfern

Die Parole „Wir sind das Volk“könnte bald in Hamburg neue Aktualität gewinnen. Denn diesem soll die nach ihm benannte Hochschule Bildung bieten; doch wer das Volk ist, wird der Vorstand der VHS in den nächsten Wochen definieren. Leiter Rudolf Camerer betonte gestern bereits, daß „auch Leute mit Geld dazugehören“. Damit gibt er den Weg ins nächste Jahrtausend bereits vor.

Die VHS folgt weniger ihrem ureigensten sozialpolitischen Auftrag als betriebswirtschaftlichem Kalkül, wenn sie sämtliche Kurse zum Erwerb eines Schulabschlusses streicht. Um das Defizit auszugleichen, müsse er lukrative Kurse erhalten und ertragsschwache kürzen, argumentiert Camerer – logisch, rein betriebswirtschaftlich und damit am politischen Auftrag der Volkshochschule vorbei.

Denn es liegt in der Natur der Sache, daß etwa Flüchtlinge, die erst wenige Wochen in Deutschland sind, ihren Sprachunterricht nicht bezahlen können. Auch Langzeitarbeitslose, die von 500 Mark Sozialhilfe leben müssen, können davon keine LehrerInnen finanzieren. Und gerade weil das so ist, gibt es die Volkshochschule. Welcher sonstige Träger sollte ein Interesse daran haben, die Leute zu unterrichten?

Wenn künftig die Bilanz über die Bildung gestellt wird, macht die Volkshochschule sich selbst überflüssig. Eigentlich müßten die lukrativen Kurse die unprofitablen ausgleichen. So aber finanzieren die ärmeren TeilnehmerInnen die wohlhabenderen, wenn ihre Kurse zugunsten der EDV-Schulung für Führungskräfte geopfert werden.

Elke Spanner

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