Kommentar: Studiengebühren? Ja, aber...
■ Das Wahlvolk ist intelligenter als die Regierung
Das Volk hat gesprochen: Wir sind für Studiengebühren. How! Sogar die grünen und roten Indianer wollen fürs Studieren pro Semester 1.000 Mark verlangen. Selbst der akademische Nachwuchs kann sich mit diesem Gedanken anfreunden. Die Umfrage von Forsa ist eine Ohrfeige für die Häuptlinge bei SPD und Bündnisgrünen. Deren Verlangen, im Hochschulrahmengesetz (HRG) die Erhebung von Studiengebühren zu verbieten, findet bei ihren WählerInnen keinen Widerhall.
Das Frohlocken der Konservativen kommt natürlich zu früh. Anders nämlich als die Gebührenfans aus Baden-Württemberg und Berlin, die CDU-Minister von Trotha und Radunski, hat das Wahlvolk keinen Kampfschrei ausgestoßen, sondern differenziert geantwortet. Die Studierenden lehnen nahezu einhellig Studiengebühren ab, die in den Haushaltslöchern der Finanzminister verschwinden. Die Zustimmung der WählerInnen von Rot-Grün und der Hochschul-Twens ist an Bedingungen geknüpft: Gebühren sind für sie okay, wenn das Geld das Studium verbessert und wenn sie sich den Preis für die gute Ausbildung erst mal leihen können.
Das „Plebiszit“ ist ein Rüffel für rot- grüne Anti-Gebühren-Fundis und gleichzeitig eine empirisch gut gestützte Absage an die Bundesregierung. Die nämlich blockierte kürzlich die Einführung eines Bafög für alle. Bildungsminister Rüttgers & Co. wurde gezeigt, daß ein echter Umbau der Hochschulen nur noch von ihnen verhindert wird. Dieser Umbau, das wissen Mann und Frau von der Straße, müßte mit einer kleinen Bafög-Revolution und neuer Finanzierung beginnen.
Die Forsa-Umfrage entideologisiert die Frage „Geld fürs Studieren – ja oder nein?“ auf erfreuliche Weise. Die Menschen im Land haben den Studentenstreik, der das Thema nachdrücklich auf die Tagesordnung gesetzt hatte, nicht nur als Tohuwabohu verrückter Studierender begriffen. Sie haben ihr Schlüsse gezogen, und die klingen ziemlich intelligent. Ärgerlich an dem Stimmungsbarometer ist allein der Zeitpunkt: zwei Tage, bevor der Bundesrat sich das HRG vornimmt. Die regierungsamtlichen Propagandisten des Reformstaus werden schon wissen, wem sie den Schwarzen Peter zuzuschanzen haben: der SPD, die übermorgen darum kämpfen wird, übers Uni-Gesetz im Bundesrat mitstimmen zu können – um Studiengebühren zu verbieten. Christian Füller
Bericht Seite 6
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