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■ KommentarHerzzerreißendes Tremolo

Ein bißchen kann es den oder die aufmerksame BetrachterIn dann doch verwundern, daß die CDU zur Partei der sozial Benachteiligten, zur Interessenvertretung der Deklassierten, zur Propagandistin der ursprünglich sozialdemokratisch-keynesianischen Devise der antizyklischen Wirtschaftspolitik mutiert. Da fordert der Regierende Bürgermeister vor dem Plenum im Preußischen Landtag eine Wende in der Ausgabenpolitik, da propagiert sein neuer CDU-Generalsekretär Volker Liepelt die Verringerung der Fehlbelegungsabgabe. Anläßlich des aktuellen Sozialatlasses plädiert der CDU-Chef für die Einberufung einer Innenstadtkonferenz – gegen Verelendung, Kriminalität und Dreck. Und um einer weiteren strengen Sparrunde zu entgehen, fordern die CDU-SenatorInnen in herzzerreißendem Tremolo: „Wir können nicht noch mehr sparen.“

Eineinhalb Jahre vor der Wahl erweist sich noch einmal, in welcher Klemme die CDU in der Großen Koalition steckt: Die SPD-Finanzsenatorin reüssiert mit einer Sparpolitik, für die ein/e CDU-SenatorIn von den WählerInnen sicherlich abgestraft würde. Aufgrund des finanziellen Desasters bleibt den ChristdemokratInnen allerdings wenig übrig, als den Weg der Finanzsenatorin unter Protest mitzumarschieren. Protestieren, um der SPD etwas entgegenzusetzen, kann sie nur auf zwei Ebenen: indem sie die Ängste der BürgerInnen vor Kriminalität und „kriminellen Ausländern“ weiter schürt und sich als Garant von Sicherheit und Ordnung präsentiert. Andererseits muß die CDU ihre Politik noch stärker an den BürgerInnen orientieren, die sie in der Mitte gewinnen könnte – durch die Versicherung, die Partei zu sein, die der eingesessenen Bevölkerung im Kampf gegen die Sparkommissarin zur Seite steht. Barbara Junge

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