Kommentar: Eine preiswerte Lösung
■ US-Tabakindustrie soll 910 Milliarden Mark bezahlen
Im Jahre 2003 wird in den USA der Liter Benzin sicher nicht fünf Mark kosten, dafür aber die Schachtel Zigaretten womöglich zehn Mark. Die Summen, die gegenwärtig als Schadenersatzzahlungen der Zigarettenfirmen gehandelt werden, sind wahrhaft schwindelerregend. Umgerechnet 910 Milliarden Mark soll nach einem neuen Gesetzentwurf des US-Kongresses die Suchtindustrie in den nächsten 25 Jahren dafür hinlegen, daß sie die Öffentlichkeit bewußt angelogen und das Suchtpotential ihrer Produkte verheimlicht hat. Geht der Marlboro-Mann also pleite, wird die „Lebensfähigkeit“ der Konzerne in Gefahr gebracht, wie die Nikotinzunft gestern unterstellte? Sicher nicht.
Aber es wird kräftige Preiserhöhungen geben, vielleicht sogar eine Verdoppelung des Zigarettenpreises in den nächsten fünf bis zehn Jahren. Die Konzerne werden die geforderte Riesensumme schwerlich aus ihren Rücklagen hervorzaubern können. Logische Konsequenz: Den Schadenersatz für die Raucher bezahlen – natürlich – die Raucher. Den ganz normalen Suchthansel wird das wenig beeindrucken. Er raucht weiter. Er muß weiterrauchen, weil er abhängig ist und weil nur elf Prozent aller Abstinenzversuche gelingen. Aber zumindest für die Jugendlichen, für die kommende Rauchergeneration, die das Millionenheer der weggestorbenen Raucherbeine und Lungenkarzinome ersetzen soll, für sie ist die Verteuerung eine gewisse Bremse. Die Zahl der Tabak-Junkies wird damit in den USA weiter abnehmen.
Daß die US-Konzerne dennoch relativ moderat auf die Forderungen mit den vielen Nullen reagieren, zeigt, daß sie in den USA in der Defensive sind. Sie wollen Ruhe um jeden Preis, auch um den Preis von 910 Milliarden Mark. Die Musik spielt längst im Ausland. Vor allem in den osteuropäischen Staaten und auf dem asiatischen Markt haben sich die multinationalen Dealer breitgemacht. Dort werden Milliarden eingespielt. Weltweit gibt es 1,1 Milliarden Raucher, die jedes Jahr 1.600 Zigaretten pro Lunge wegpaffen.
Es ist die größte Drogenepidemie weltweit. Nach neuen Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sterben Jahr für Jahr etwa drei Millionen Raucher und Raucherinnen an den Folgen ihrer Sucht. Umgerechnet auf die 910 Milliarden Mark und auf die letzten 20 Jahre bedeutet dies: Jeder Tote wird mit 15.000 Mark abgegolten. Eine durchaus preiswerte Lösung! Manfred Kriener
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