■ Kommentar: Auf dem letzten Loch
Eigentlich ist die Hauptstadtregion ein Rundfunkparadies. Gleich zwei öffentlich-rechtliche Sender gibt es, sie machen ganze acht Radio- und zwei TV-Vollprogramme. Mit zusammen rund 742 Millionen Mark (Aufwendungen ORB/SFB 1998) setzen beide in der Region ein Finanzvolumen um, das bei den umschmeichelten Privaten seinesgleichen sucht. Allein, es gibt zwei Probleme. Erstens: Die HörerInnen haben von der Vielfalt bislang herzlich wenig: Nirgends sonst wird öffentlich-rechtliches Radio so wenig gehört wie in Berlin. Auch plagen beide TV-Programme Akzeptanzprobleme – den SFB in Ostberlin, den ORB im Umland. Das zweite Problem liegt darin, daß beide Sender auf dem letzten Loch pfeifen – obwohl sie genug Geld für erstklassige Sendungen haben könnten. Der SFB muß bei TV und Radio streichen, weil ihn Pensions- und Verwaltungsaufwendungen drücken. Der ORB, der sich einst als schlanke Anstalt feierte, rechnet vor, daß er im Jahr 2003 Kredite aufnehmen müßte oder massiv beim Programm streichen. Droht das Ende der Vielfalt?
Nur weil es den in den Büchern der beiden einzigen, die aus der wichtigen Hauptstadtregion unabhängig berichten könnten, derart aussieht, können sie im Hin und Her der Rundfunkzukunftsdiskussion zum Spielball werden. Arm und schwach ist zumindest der SFB der Berliner Politik derzeit am liebsten.
Und die Intendanten beider Sender zaudern, in dieser Situation ein offensives Zukunftskonzept zu entwickeln. Nur zusammen können die beiden nämlich stark sein (wenn auch nicht reich). Und sie blieben vor den ständigen Begehrlichkeiten des MDR-Intendanten Udo Reiter bewahrt. Würden Schättle und Rosenbauer einen unwiderstehlichen Plan für einen starken, unabhängigen Hauptstadtsender vorlegen, den Landesregierungen würde ihr Rumstochern schwerer fallen. Und, wer weiß, vielleicht würde sogar irgendwann Reiter neidisch. Lutz Meier
Bericht Seite 18
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