■ Kommentar: Leuchtturm der Hochkultur
Kultursenator Radunski hat sich keinen leichten Partner ins Boot geholt. Mit einer fulminanten Beschimpfung des „Zigeunerbarons“ hatte Claus Peymann die Verhandlungen um seine Intendanz am Berliner Ensemble begonnen, mit einem fulminanten Erfolg hat er sie jetzt abgeschlossen. Nach einer langen Zeit materiellen Siechtums und künstlerischer Krise bekommt nun erstmals ein Berliner Theater wieder mehr Geld. Ähnlich wie Michael Blumenthal am Jüdischen Museum erscheint der Theatermann aus Wien nun als Retter von außen, dem der Senat keinen Wunsch abschlagen kann.
Ob Peymann hierzulande ähnliche Triumphe seiner Selbstdarstellung feiern kann wie in Wien, bleibt trotzdem fraglich. Dafür bietet Berlin einen weit schlechteren Resonanzboden. Theaterskandale, an denen sich die Wiener in regelmäßigen Abständen ergötzen, hat es in Berlin schon lange nicht gegeben. Daß Peymann sich 1999 gegen weit weniger Widerstände durchsetzen muß als bei seinem Wiener Amtsantrit 1986, könnte womöglich sein größtes Handicap werden. Schuld daran ist weniger der großstädtische Habitus, sich von nichts und niemandem erschüttern zu lassen – schließlich bringen Themen wie die Durchfahrt durchs Brandenburger Tor oder der Kampf gegen Sprayer das hauptstädtische Gemüt durchaus in Wallung. Nein, der Stellenwert des Theaters, der Kultur überhaupt als letztem Relikt österreichischen Großmachtanspruchs ist an der Donau weit höher. In Berlin gelten Kultur und Wissenschaft bislang bestenfalls als billige Feigenblätter von Weltniveau. Gelänge es Peymann, ihren Stellenwert tatsächlich zu erhöhen, dann hätte seine Berufung ihren Zweck schon erfüllt. Dann profitierten nicht allein die Leuchttürme der Hochkultur, sondern die Kulturszene insgesamt. Ralph Bollmann Bericht Seite 30
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